Drama nach Olympia-Jubel: In Brasilien werden aufgrund der desolaten Haushaltslage radikal öffentliche Mittel eingefroren – ein Sparkurs, der dem Land nachhaltig schaden wird.
In Brasilien tritt jetzt eines der härtesten Sparprogramme der Welt in Kraft: Um Investoren zufriedenzustellen und das Land gesundzusparen, hat Präsident Temer dem Land einen der radikalsten Sparkurse weltweit verordnet.
Der harte Sparkurs bedeutet, dass Brasilien Investitionen in öffentliche Regierungsprogramme in Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Altersversorgung, und Verteidigung/Sicherheit bis 2037 einfriert.
Die Sparmaßnahmen im Bereich Bildung und Gesundheit werden zwar – anders als in anderen Bereichen, die bereits 2017 betroffen sind – erst 2018 wirksam, doch die Folgen bereits wirksamer Sparprogramme in diesen Bereichen sind jetzt schon verheerend. Schon unter der mittlerweile abgesetzten Präsidentin Dilma Rousseff wurde der Rotstift bei gesellschaftlichen Programmen angesetzt. So wurden Universitätsprogramme beendet, Schulen und Universitäten konnten ihre Angestellten zum Teil schon seit Monaten nicht mehr bezahlen, auch Polizisten mussten auf ihr Gehalt warten.
Toilettenpapier mussten etwa Polizisten der Befriedungspolizei UPP in Rios Favelas zum Teil selbst zum Dienst mitbringen, weil die öffentlichen Mittel dafür nicht mehr reichten. Zahlreiche soziale Programme und Kulturprojekte wurden eingestellt. Auch private Sponsoren, die etwa zum Teil die Kriminalitätsbekämpfung mitfinanziert hatten, haben sich in der Krise zurückgezogen. Das Resultat: Sicherheitskräfte ohne Budget und Ressourcen, die meistens unterhalb des Kräftelimits operieren.
Brasilien ist schon lange eine der ungleichsten Gesellschaften der Welt: Auf der einen Seite die Milliardäre, die in abgegrenzten Gated Communities ein Luxusleben führen und in Städten wie Sao Paulo der Realität durch Helikopter entgehen. Auf der anderen Seite die Armenviertel, in denen Millionen von Menschen um den Aufstieg kämpfen – und die die Sparprogramme besonders hart treffen werden. Mit dem Sparprogramm wird die Kluft noch massiver – und die, die es sich leisten können, werden sich vermutlich, wenn die Krise besonders heftig wird, noch weiter von der Realität abseilen oder ins Ausland absetzen. Oder zumindest ihr Geld sicher im Ausland parken. Bis heute werden die Gutverdiener mit sanfter Besteuerung und zahlreichen Steuerschlupflöchern begünstigt.
Kurz sah es so aus, als ob Brasilien mit den sozialen Programmen der Arbeiterpartei, positiven Wirtschaftsprognosen und Infrastrukturmaßnahmen und innovativen Programmen wie der Befriedungsstrategie UPP einen Aufschwung auch für die Armen und eine neue Mittelklasse schaffen könnte. Doch zahlreiche positive Ansätze versickerten in der Krise, Korruption und Missmanagement – und viele Zukunftsprognosen waren zu optimistisch, mit denen die verklebte Bürokratie und die korrupte Politik nicht mithalten konnten.
Mit dem radikalen Sparkurs werden gerade die Bereiche, die für eine zukünftige positive Entwicklung des Landes fundamental wichtig wären, eingefroren, obwohl ihre Stärkung notwendig wäre. Brasilien, das Land der Zukunft? Welcome Dystopia.