Kinderprostitution zur Fußball-WM

In Brasilien werben Zuhälter Minderjährige als Prostituierte für die WM-Zeit an – während die Städte nicht ausreichend für den Kampf gegen Kinderprostition gerüstet sind.

Brasiliens Zuhälter sind besser auf die WM vorbereitet als die Städte, in denen die Spiele stattfinden sollen: Sie erhoffen sich zur Fußball-WM ein boomendes Sexgeschäft – und haben dafür zahlreiche Kinder und Jugendliche angeworben.

In São Paulo ist die Polizei der brasilianischen Zeitung “O Globo” zufolge Zuhältern auf der Spur, die in der Nähe des Fußballstadions Arena Corinthians bereits jetzt kleine “Armeen” von Kinderprostituierten unterhalten. In dem Stadion soll das Eröffnungsspiel der WM stattfinden.

Auch in Cuiabá operiert ein Netzwerk, das massiv Kinder und Jugendliche aus der Gegend anwirbt. Sie sollen Touristen für Sex zur Verfügung stehen, wenn Cuiabá im Juni zwei Wochen lang WM-Schauplatz ist – dafür wurde ihnen ein Gehalt von 10.000 bis 15.000 Reais versprochen, etwa 3200 bis 4800 Euro. Was von dem versprochenenen Verdienst tatsächlich bei den Minderjährigen ankommen würde, und auch wieviele Kinder und Jugendliche Opfer von Zwangsprostitution werden, ist unklar.

Schlecht gerüstet

Die brasilianischen Städte sind schlecht für den Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger gerüstet. In São Paulo wurde etwa im vergangenen Jahr ein Komitee gegründet, dass sich mit Schutzmaßnahmen beschäftigen sollte, doch ein Aktionsplan soll erst im Mai fertig werden, also erst kurz bevor die WM beginnt.

Experten, die sich mit Kinderprostitution beschäftigen, kritisieren, dass keine Netzwerke existieren, die betroffene Kinder und Jugendliche auffangen können, und dass es auch keine ausreichenden Beratungsangebote gebe. In Cuiabá wurden bisher gar keine Maßnahmen ergriffen, um Kinder und Jugendliche während der WM vor Kinderprostitution zu schützen – dabei ist das Problem ein wiederkehrendes WM-Phänomen. Rund um die WM in Südafrika soll Kinderprostition etwa um 30 Prozent zugenommen haben, auch in Brasilien befürchten Menschenrechtsorganisationen einen Boom. Schon jetzt blüht in brasilianischen Touristenmetropolen die Kinderprostitution. Schon Zehnjährige bieten sexuelle Dienstleistungen an, häufig aufgrund von Armut; dazu kommen Probleme wie sexueller Missbrauch und Menschenhandel.

DASPU: “Putas” auf dem Laufsteg

Gabriele Leite war die Stimme der Prostituierten, Brasiliens wichtigste Aktivistin für Sexarbeit – und sie schickte Prostituierte als Models auf den Laufsteg, um sie sichtbarer zu machen. Vor kurzem ist Gabriela in Rio de Janeiro gestorben.

Als erste Prostituierte Brasiliens brach Gabriela Leite das Schweigen: sie redete über ihre Arbeit, die Situation der Sexarbeiterinnen, forderte die Anerkennung von Prostitution als Beruf. Nachdem sie bei einer Veranstaltung über “Frauen aus den Favelas und der Peripherie” als Rednerin aufgetreten war, weil ihre Kolleginnen die Öffentlichkeit scheuten, fragten alle brasilianischen Medien “die Prostituierte, die sprach” für Interviews
an – und Leite wurde zur Stimme und zum Gesicht der brasilianischen Prostitution.

“Wenn man über Prostitution sprach, hatte jeder immer eine Lösung für die Prostituierten, aber keiner fragte die Prostituierten, was sie wollen”, kritisierte sie in einem Interview. “Jetzt müssen sie mit uns reden.” Leite ging es nie darum, Frauen aus der Prostitution zu holen, sondern ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, gegen das Stigma zu kämpfen. Sie versuchte die brasilianische Politik zu beeinflussen, prangerte auch öffentlich an, dass Polizisten Prostituierte misshandelten und zum Sex zwangen, Geld von den Frauen und Bordellen erpressten.

Sex als Rebellion
Für Gabriela Leite, die in einer Mittelstandsfamilie aufgewachsen war und Soziologie studiert hatte, war die Entscheidung, als Prostituierte zu arbeiten, nie Notwendigkeit gewesen, sondern persönliche Revolution. Sie gehörte zur Generation der jungen Brasilianer, die in die konservative, verklemmte Zeit der Militärdiktatur hineingewachsen waren – die sich aber nicht dem bewaffneten Widerstandskampf anschlossen, sondern mit sexueller Befreiung gegen das Establishment rebellierten. Continue reading