Rechtsruck in Brasilien: Wie Bolsonaro das Land verändern will

Viele Brasilianer sehen in Jair Bolsonaro keinen Rechtsextremen, sondern einen Heilsbringer. Dabei droht der Umbau zu einem autoritären Staat, eine Ausweitung der Militär-Macht, die Verschärfung der sozialen Kluft durch eine neoliberale Wirtschaftspolitik – und eine Eskalation der Gewalt.

Im Wahlkampf hat Jair Bolsonaro sich vor inhaltlichen Auseinandersetzungen mit seinem Rivalen Fernando Haddad gedrückt – in seinen Livestreams ging es meistens um Panikmache vor dem Kommunismus und Hetze gegen Minderheiten und politische Feinde, statt um konkrete Reformen.

55 Prozent der Brasilianer haben den Ex-Fallschirmjäger und Fan der Militärdiktatur zum neuen Präsidenten Brasiliens gewählt.

Wenn Bolsonaro am 1. Januar 2019 sein Amt antritt, steht Brasilien ein drastischer Kurswechsel bevor – denn das Brasiliens neuer Saubermann hart durchgreifen will, sind nicht nur Sprüche. “Bolsonaro wird Militärpersonal in Schlüsselpositionen positionieren und die Rolle des Militärs in der Öffentlichen Sicherheit verstärken”, sagt der Politikwissenschaftler Wagner Romão, Professor an der Universität von Campinas (Unicamp), t-online.de. “Er droht auch, Universitäten stärker von außen zu kontrollieren, um die angebliche Dominanz von linkem Gedankengut zu unterbinden und plant, die Landlosenbewegung als Terroristen einzustufen.”

Unsere gesamte Wahlanalyse über Bolsonaros Hintermänner, die politische Umbau und die Folgen für Brasilien bei t-online lesen.

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Nach Nizza-Terroranschlag: Rio 2016 braucht ein Sicherheits-Upgrade

Warten auf Aussagen zur Sicherheit (Foto: BuzzingCities)

Rio 2016: Fünf Stunden Warten auf Aussagen zur Sicherheit – ohne Ergebnis (Foto: BuzzingCities)

Aufregung in Rio de Janeiro: Nach dem Terroranschlag in Nizza diskutiert auch die Olympiastadt Rio das Risiko eines Terroranschlags – auf den die Stadt nicht ausreichend vorbereitet wäre. In Notfallsitzungen kamen in der Hauptstadt Brasilia und in Rio de Janeiro Beteiligte aller Ressorts, Geheimdienst, Sicherheitskräfte und Experten zusammen, um die Sicherheitsstrategie für Rio zu diskutieren.

Die Taktik des Tages: Besprechungen in nicht-öffentlichen Marathon-Sitzungen. Und die Probleme dann kleinzureden – oder gar nicht zu reden.

Nach stundenlangem Warten auf die angekündigte Pressekonferenz im Medienzentrum des Rio 2016-Komitees in Rio de Janeiro war die öffentliche Stellungnahme von Rios Bürgermeister Eduardo Paes kurz und inhaltsleer.

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Paes bekräftigte, die Stadt sei “supersicher” und werde auch während der Olympischen Spiele absolut sicher sein — entsprechende Maßnahmen würden ergriffen werden. Zu konkreten Schwachstellen und Maßnahmen äußerte sich vor der Presse keiner der Sitzungsteilnehmer, die zuvor für die Pressekonferenz angekündigt worden waren. Die wartenden Journalisten wurden an die Pressestelle der Bundesregierung weiterverwiesen.

Nach einer Sitzung in der Hauptstadt Brasilia kommentierte Sérgio Etchegoyen, der leitende Minister des Kabinetts für Öffentliche Sicherheit (GSI), dass es arrogant und eine “monumentale Verantwortungslosigkeit” sei, die Sicherheitspläne für Olympia in Rio nach dem Terroranschlag in Frankreich nicht zu überarbeiten. Es sei vor Nizza unvorstellbar gewesen, dass ein Fahrzeug als Waffe für einen Terroranschlag missbraucht werden könne (Anm.: In palästinensischen Gebieten/Israel haben Attentäter in der Vergangenheit mehrfach Traktoren und andere Fahrzeuge in Menschenmengen gesteuert).

Olympische Spiele: Mehr Patrouillen, Fahrzeugsperren (Foto: BuzzingCities)

Olympische Spiele: Mehr Patrouillen, Fahrzeugsperren (Foto: BuzzingCities)

Nun soll unter anderem die Isolation der Olympia-Stätten geprüft und deren Zugänglichkeit mit Fahrzeugen eingeschränkt werden. Olympia-Besucher müssen mit verstärkten Personenkontrollen rechnen. Auch an touristischen Orten abseits der Spielstätten wie in Seitenstraßen der Copacabana oder Leblon werden Sicherheitskräfte zusätzliche Patrouillen einrichten. Viel Zeit bleibt für die Überarbeitung des Sicherheitskonzeptes nicht: In 21 Tagen beginnen die Spiele bereits.

Polizei erschießt 10-Jährigen im Complexo do Alemão

Foto von Eduardo Ferreira Calei (Foto: Kinho Buttered)

Foto von Eduardo Ferreira Calei (Foto: Kinho Buttered)

Vier Tote innerhalb von 24 Stunden, das jüngste Opfer war erst 10 Jahre alt: Bei den anhaltenden Polizei- und Militäroperationen im Complexo do Alemão wurde zuletzt ein kleiner Junge getötet. Eduardo Ferreira Calei wurde erschossen, während er vor dem Haus seiner Eltern im Beco da Sabino im Complexo do Alemão spielte.

Videos des blutigen Körpers des Jungen zirkulieren seit gestern durch die Netzwerke, die Anwohner beschuldigen die Polizei, dass sie den Jungen aus geringer Entfernung erschossen haben. Die Waffen der mutmaßlich beteiligten Polizisten wurden bereits zur Untersuchung konfisziert.

Auf Twitter und Facebook sorgten falsche Informationen über die Identität des getöteten Jungen für Verwirrung. Ein mutmaßlicher Polizist hat auf seinem Facebook-Profil ein Fotos eines Jungen mit Sturmgewehr gepostet und ihn als “menschlichen Müll” bezeichnet – es handelte sich aber nicht um das Kind aus dem Complexo do Alemão, bei dem keinerlei Verbindung zum Drogenhandel bekannt ist. Auch unterschiedliche Fotos des Jungen und verschiedene Namen zirkulierten online.

Anwohner organisierten sich trotz Polizeioperation zu einem kurzen Protest gegen die Gewalt im Complexo do Alemão und hielten auch eine Mahnwache für den toten Jungen ab. Online machen sie mit den Hashtags #GuerraNoAlemão und #SOSCOMPLEXODOALEMAO auf den urbanen Krieg aufmerksam, der in den Favelas des Alemão gerade stattfindet.

Mahnwache für den Jungen (Foto: Kinho Buttered)

Mahnwache für den Jungen (Foto: Kinho Buttered)

Panzer für die Mini-Rekruten

Das Militär ist in den Favelasiedlungen des Complexo da Maré im Norden von Rio de Janeiro nicht gerade beliebt. Kurz vor der WM 2014 wurde das Maré vom Staat besetzt, schon damals zeichnete sich ab, dass das Gebiet eine der größten Herausforderungen unter den besetzen Favelas werden würde. Zahlreiche Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Sicherheitskräften und Drogengangs gefährden immer wieder auch unbeteiligte Favelabewohner, mehrere Jugendliche wurden erschossen.

Mit Propagandamaterial versucht das Militär nun schon die jüngsten Favela-Kids positiver auf die Sicherheitskräfte einzustimmen – und den Grundstein für spätere Rekrutierungen zu legen. Wie die Community-Zeitung O Cidadão des Complexo da Maré berichtet, verteilen die Soldaten auf den Straßen des Maré Comic-Magazine für Kinder, “Recrutinha”.

In den Magazinen, die den in Brasilien populären “Monica”-Comics ähneln, erzählen Geschichten von den Abenteuern des Militärs. Auch ein Papier-Panzer zum Spielen ist beigelegt, zwischendrin Rekrutenwerbung. “Horror”, kommentiert eine Bewohnerin.

Foto: O Cidadão Comunicação Comunitaria

Panzer zum Spielen (Foto: O Cidadão Comunicação Comunitaria)

Big Brother Brasil: Neue Folge im brasilianischen Polizeiskandal

Big Brother Brasil versetzt Brasilien in Aufruhr. Die Kandidaten sind nun in das BBB15-Haus eingezogen, einige Bewohner und Bewohnerinnen aus den Favelas von Rio ärgern sich, dass sie es nicht selbst in die Endauswahl geschafft haben – und zahlreiche schreiben sich zumindest auf der Onlineplattform „BigBrother Fake“ als Kandidaten ein.

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Überraschend hat sich Big Brother Brasil aber auch in eine neue Folge des brasilianischen Polizeiskandals verwandelt. Der 23-jährige Kandidat Luan Patrício hatte kurz nach seinem Einzug vor laufender Kamera erzählt, dass er während seiner Zeit als Soldat im Favela-Komplex Complexo do Alemão einen Minderjährigen erschossen hatte.

„Ich glaube, dass er jünger war als ich, ich war 19, er muss ungefähr 16 gewesen sein“, so Luan. „Mein Vorgesetzer hat mich angesehen und gesagt: “Entweder du oder er.” Das brasilianische Militär will nichts davon wissen, dass Luans Einheit einen Favelabewohner erschossen hat. Es wäre nicht das erste Mal, dass staatliche Sicherheitskräfte in den Favelas einen Menschen getötet hätten, der Mord aber vertuscht wurde. Das Geständnis hat Folgen: Luan erwartet in Kürze Polizeibesuch im Big Brother Haus – er soll zu dem Vorfall befragt werden.

BBB15-Kandidat Luan

Verkehrschaos durch Drogenkrieg

Eine Auseinandersetzung zwischen den rivalisierenden Drogengangs Amigos dos Amigos und Terceiro Comando Puro hat Autofahrer und die Favelabewohner des Complexo da Maré im Norden von Rio in Angst und Schrecken versetzt.

Der Drogenkrieg löste auf der wichtigen Verkehrsader Avenida Brasil, die direkt an die Favelasiedlung grenzt, Chaos aus. Autos und Busse standen kreuz und quer auf der Straße, Menschen versuchten in Deckung zu gehen, um nicht ins Kreuzfeuer zu geraten.

Das Militär rollte mit Panzern auf die Straße, auch sie lieferten sich Schusswechsel mit den Gangs. Für etwa eine halbe Stunde legten die Soldaten den Verkehr lahm. Drogengangster versuchten auch auf das Gelände der Stiftung Fundação Oswaldo Cruz, kurz “Fiocruz”, zu gelangen – normalerweise eine grüne, ruhige Oase mit Forschungseinrichtungen und Museen, die direkt gegenüber des Eingangs des Complexo da Maré liegt. Ein bisher nicht identifizierter 18-Jähriger wurde nach dem Gefecht tot aufgefunden.

Im Complexo da Maré kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Drogengangs, aber auch Gangs und staatlichen Sicherheitskräften. Kurz vor der WM war das Complexo da Maré mit einem immensen Aufgebot von Militär und Polizei besetzt worden – das Gebiet gilt als eines der konfliktreichsten von Rios besetzten Favelas. Für Die Welt hatte Julia aufgeschrieben, warum das Maré eine besonders schwierige Herausforderung ist – und nicht nur mit Waffengewalt befriedet werden kann. 

351 Kilos Marihuana

Vom Militär ins Drogengeschäft: Ein 56-jähriger Oberst im Ruhestand wurde am Samstag mit einer Drogenlieferung und einer nicht angemeldeten Waffe gestoppt – 351 Kilo Marihuana waren unter einem künstlichen Boden im Fahrzeug versteckt, in dem er mit seiner Frau unterwegs war.

Die Ware sollte vermutlich in Rio und in Niteroi ausgeliefert werden. Beide wurden verhaftet und müssen sich wegen Drogenhandel vor Gericht verantworten.

Im vergangenen November hatten Ermittler etwa 400 Kilometer von Rio entfernt 450 Kilo Kokain beschlagnahmt, in einem Hubschrauber, der einem Unternehmen der Söhne des brasilianischen Senators Zezé Perrella gehörte.

Mega-Operation im Complexo do Alemão

Ausnahmezustand im Complexo do Alemão, einem Favela-Komplex im Norden von Rio de Janeiro: Mehrere Tage Militärpräsenz mit Panzern, Razzien und Schießereien zwischen Soldaten, Polizei und Drogengangs, Ausgangssperre für die Bewohner, Helikopter kreisten über den Favelas des Complexo. Von Kugeln durchschlagene und durchlöcherte Häuserwände zeugen von den heftigen Auseinandersetzungen. Ein junger Mann, der zur Drogengang gehören soll, wurde getötet, ein Drogenboss festgenommen.

Gestern sollte die Operation beendet werden, Polizei und Bewohner hofften auf Ruhe – doch schon kurz nach unserem Videodreh, am Abend, beschossen sich Drogengang und Polizei erneut.