Bewohner der Rocinha erhalten Besitztitel für Häuser

Die Hütten in den Favelas werden meist auf fremden Grund gebaut, sind instabil und illegal. Nun erhalten einige Bewohner einen Besitztitel und damit eine Grundsicherheit.

Für die Alten der Rocinha ist das ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk: Etwa 1100 Bewohner der Favela Rocinha erhalten eine offizielle Eigentumsbestätigung für ihre Häuser. Für die erste Generation, die vor mehr als 70 Jahren nach Rio kam und die Favelas mitbaute, ist das ein erster Schritt aus der latenten Unsicherheit, täglich aus dem Haus geworfen zu werden. Denn die Armenviertel sind informelle Wohnsiedlungen, entstanden auf Grund, der nicht den Siedlern gehörte. In den 50er Jahren suchten sich die Armen freies Land, das sie über Jahrzehnte hinweg besiedelten, weiterentwickelten, Läden hochzogen, ein eigenes Viertel bauten.

Hausbau über Nacht (Credits: BuzzingCities)

Hausbau über Nacht (Credits: BuzzingCities)

Noch immer wachsen die Favelas, wie die Rocinha. An einem Hang gelegen ist dieser illegale Bau oftmals ein Risiko für die Bewohner. Bei starken Regenfällen rutschen immer wieder Hütten ab, reißen Menschen in den Tod. Rios Verwaltung hat in den vergangenen Jahren neue Regeln aufgestellt, die den Hüttenbau in einigen Teilen der Favelas regulieren soll. Und nicht selten wurden dabei Häuser von staatlich beauftragten Firmen abgerissen. Familien blieben dann ohne Unterkunft, mussten an anderer Stelle neu beginnen.

Nun werden seit Dienstag bis Mitte Donnerstag etwa 1100 Besitzscheine ausgestellt, die den Bewohnern zusprechen, tatsächlich legale Eigentümer ihrer selbst gebauten oder gekauften Ziegelhütten zu sein. Damit ergibt sich eine minimale Sicherheit, wie die 66-jährige Lúcia C. dem Nachrichtenportal O Globo sagte, jetzt könne sie endlich das Haus an ihren einzigen Sohn weitergeben.

Rocinha is a rainforest today

Der Nebel hat das Meer verschluckt, die Ränder der Rocinha weichgezeichnet, der Wald ist satt und dunkelgrün und Regen legt sich über den Geräuschteppich, der sonst so typisch Favela ist. Bei einem Blick aus dem Fenster fühlen wir uns, als säßen wir mitten im Regenwald. Vögel zwitschern, alles ist sanft und die Lehrerproteste, die in einer Straßenschlacht zwischen Polizei und Randalierern endeten und die Innenstadt verwüsteten, sind hier weit, weit weg. Von wegen Kampfzone Favela.

Rechtzeitig, bevor der Regen kam, haben unsere Nachbarn innerhalb von wenigen Stunden direkt vor unserem Fenster ein Haus aufgebaut – man konnte der Favela beim Wachsen zusehen. Gestern Abend stand dort noch eine Ruine, gerade mal der Grundriss, Balken, ein paar übriggebliebene Ziegelsteine, überwuchert von Pflanzen, Müll, am Nachmittag lagen dort noch die Kampfhunde unseres Nachbarn auf einer dreckigen Matratze herum, zwei gemütliche Riesen.

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Dann rückten Familie und Freunde an, hämmerten die ganze Nacht, Kinder schleppten Ziegel heran und Bauschutt weg, pfiffen dabei brasilianische Lieder, und heute morgen ist die Favela wieder ein Stück weiter in den Regenwald gewachsen. Sogar die Satellitenschüssel ist schon auf dem Wellblechdach installiert. Nur einer hämmert noch ein bisschen herum, die anderen sind wohl schlafen – oder zu ihren regulären Jobs arbeiten – gegangen.