Brasilien in der Krise: Kahlschlag bei den Sozialprogrammen

Rekordinflation, politischer Korruptionsskandal, Rezession, Proteste: Brasiliens Regierung steckt in der Krise und versucht mit drastischen Budgetkürzungen und Reformen Handlungswillen zu beweisen – auch die Sozialausgaben sind betroffen.

Ministerien sollen verkleinert oder abgeschafft werden, die Gehälter von Politikern werden gekürzt, zahlreiche Programme müssen mit weniger Budget auskommen oder werden ganz gestrichen. Kurzfristig soll Brasiliens massiver Bürokratie-Apparat von 39 Ministerien (Deutschland: 14) auf 29 Ministerien reduziert werden. Langfristiges Ziel: nur noch zehn Ministerien.

Kabinettsmitglieder und Beamte müssen Gehaltskürzungen von 10 Prozent hinnehmen, auch die Bezüge von Präsidentin Dilma Rousseff und dem Vize-Präsidenten werden reduziert. Mehrere Tausend Stellen werden gestrichen, Höchstausgaben für Telefonkosten und Reisekosten von Politikern und Beamten werden neu definiert, auch Leasing-Verträge überprüft.

Die angekündigten Reformen sollen beruhigende Signale an Investoren senden und den Haushalt sanieren. Tatsächlich hat Brasiliens Bürokratie seit Jahrzehnten einen drängenden Reformbedarf — doch der Maßnahmenkatalog ist kaum politisch durchsetzbar, zumal für eine Administration wie die Rousseff-Regierung, deren Beliebtheitswerte sich zur Zeit ohnehin im Sinkflug befinden.

Sparen im Gesundheits- und Bildungsbereich

Zudem betreffen die Kürzungen nicht nur die wuchernde Bürokratie und politische Privilegen, sondern auch Programme, die zentral für Brasiliens Entwicklung sind.

Soziale Programme sollten zwar von den Kürzungen verschont bleiben. Doch mindestens sieben Sozialprogramme sind nun von dem Sparkurs betroffen, darunter das Programm “Farmácia Popular do Brasil”, das ärmeren Bevölkerungsschichten den Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglichen soll. Ein Katalog von Medikamenten wird gegen Rezept zu 90 Prozent unter dem Marktpreis abgegeben.

Auch die Ausgaben für Água para Todos wurden verringert, eine Initiative, die besonders arme Brasilianer mit Trinkwasser vorsorgen soll, auch in ländlichen Gegenden ohne Zugang zu Öffentlichen Dienstleistungen. Stipendienprogramme im Bildungsbereich wurden ebenfalls zusammengestrichen, wie das Auslandsstipendienprogramm für Studenten (Ciência sem Fronteiras) und Fiel, ein Programm für die Ausbildung an privaten Institutionen.

Ein Sparkurs zu einem hohen Preis: Kurzfristig lassen sich die reduzierten Ausgaben vielleicht als Erfolg in der Bilanz verbuchen, doch die Kürzungen in wichtigen Bereichen wie Gesundheit und Bildung könnten Brasilien langfristig teuer zu stehen kommen.

Sieben Stockwerke aus Ziegelsteinen: Das Haus (Foto: BuzzingCities)

Der brasilianische Sparkurs trifft auch die Sozialprogramme (Foto: BuzzingCities)

Journalistenpreis “Weltbevölkerung” 2015

Gestern wurden die drei GewinnerInnen des Journalistenpreises “Weltbevölkerung” 2015 der Stiftung Weltbevölkerung bekannt gegeben – Julia ist eine davon. Sie hat die Kluft zwischen Mosambiks positiven wirtschaftlichen Aussichten und der gravierenden HIV-/AIDS-Problematik recherchiert, aber auch Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Dafür war sie unter anderem in den Armenvierteln der mosambikanischen Hafenstadt Beira unterwegs, in denen Lebensumstände und Gesundheitsversorgung besonders katastrophal sind – hat aber auch Betroffene, Polizisten, Aktivisten und Ärzte interviewt, die sich in Mosambik engagieren. Und in der Hauptstadt Maputo hat sie junge Blogger interviewt, die Aufklärung moderner gestalten möchten.10606533_10153429688683615_4466964133063990360_n 10173720_708434105952625_4921853535577312129_n

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Kampf den Mücken

Sie verstecken sich unter dem Schreibtisch und schlagen dann hinterhältig zu: Fiese Mini-Mücken, für die das feucht-schwüle Klima gerade ein Paradies sein muss. Doch in der Favela kann ein Mückenstich nicht nur lästig, sondern gefährlich sein – mit dem brasilianischen Sommer bricht die Zeit der Dengue-Epedemien wieder an.

Die Tigermücken, die den Virus übertragen, vermehren sich in stehendem Wasser, auch in Müll (wovon es hier genug gibt). 180.000 Brasilianer haben sich allein in den ersten Monaten des Jahres schon mit dem Virus infiziert.

Unser Kollege Philipp Lichterbeck hat für den Tagesspiegel aufgeschrieben, warum die Dengue-Infektionen vor allem die Favelas trifft – und wie ein Deutscher im Complexo da Maré zusammen mit lokalen Organisationen versucht, dagegen anzukämpfen:

“Sie (die NGO Redes da Maré) hat rund 20 Jugendliche aus dem Armenviertel ausgesucht und sie als „Little Dengue Docs“ mit 450 Fragebögen durch die Maré geschickt, um herauszufinden, was die Menschen über Dengue wissen. Die Hälfte hatte keine Ahnung. „Manche glauben, man könne sich über die Luft oder verdorbenes Essen anstecken“, sagt der 16-jährige Lucas Oliveira.”

Prävention ist die beste Möglichkeit, um die Mücken bzw. ihre Stiche zu vermeiden, wie dichte Kleidung oder Mückenspray, die Ausrottung aller selbst so kleinen Wasserstellen. Das Moskito-Netz, das wir extra wieder aus Deutschland angeschleppt haben, aber gerade doch nicht einsetzen, hilft leider gar nicht, weil die Dengue-Überträger-Mücken tagaktiv sind. Wir wünschen uns die Eidechsen zurück, die wir in unserer alten Wohnung hatten und die überall herumkrabbelten – sie sollen ja angeblich Mückenlarven und ausgewachsene Mücken fressen. (Update: Gestern tauchte tatsächlich eine dieser weißen, fast durchsichtigen Eidechsen auf, und wollte vom Fenster, über den Schreibtisch nach drinnen klettern – wir haben sie dann doch rausgeworfen, nicht, dass sie ins Bett krabbelt wie die ganzen Riesenkäfer und wir sie noch erdrücken).

Kay Fochtmann, der auch mal in der Rocinha gewohnt hat, hat uns von seinem Erlebnis berichtet, wie es sich anfühlt, sich in Brasilien mit Dengue anzustecken:

“40 Grad Fieber bei 40 Grad Außentemperatur – es gibt angenehmeres. Und jeden Tag in die UPA rennen, zwei Stunden warten bis man begrüßt wird, dann wird fix Blut abgenommen, das wird untersucht, nach zwei weiteren Stunden bekommt man Audienz beim Doc, ne weitere Stunde vergeht, bis man dann drankommt und seine Kochsalzlösungsinfusion bekommt. Insgesamt so 6 Stunden, die man fröstelnd bei 14 Grad überstehen muss. Brasilianische Klimaanlagen, ihr wisst… Als ich mich nach ner Decke erkundigte, fragte die Schwester wo ich herkomme. “Deutschland? Da brauchst du doch keine Decke! Ihr seid doch Kälte gewöhnt!” mit einem Lächeln wurde mein Wunsch ignoriert, auch meine Antwort, dass ich bei Kälte in Deutschland angemessen gekleidet bin, ließ sie so kalt wie die Temperatur der Klimaanlage.”