re:publica 2015: City of the Future

Die re:publica ist den letzten Jahren zu einer der größten Digitalkonferenzen Europas herangewachsen, auch der Anteil der außer-europäischen Speaker, Gäste und Themen ist gestiegen. Perspektiven auf Digitalisierung, Tech-Business, Überwachung, aber auch Aspekte wie Stadtentwicklung sind endlich globaler geworden als zu Beginn der deutschen Digitalisierung, in der die re:publica noch das Klassentreffen der deutschen Blogger und Tech-Experten war.

Bei der re:publica 2015 vom 5. bis zum 7. Mai in Berlin haben internationale Netzaktivisten aktuelle Trends diskutiert, Bloggerinnen aus verschiedenen afrikanischen Ländern von ihren Erfahrungen erzählt, im Maker-Space haben sich Bastler aus Lateinamerika und Afrika ausgetauscht und Experten wie der Architekt Alfredo Brillembourg haben etwa in ihren Talks vermittelt, wie informelle Siedlungen und Communities sinnvoller in architektonische Planungen miteinbezogen werden können.

Wir haben bei der Subkonferenz “City of the Future” über die Situation in Rios Favelas nach der WM und vor Olympia und die Digitalisierung der Favelas gesprochen – und wie Social Media Gewalt sichtbarer macht, aber auch mehr Sicherheit gewährleisten kann.

Bildschirmfoto 2015-05-12 um 21.26.13

Vortrag bei der rp15

Vortrag bei der rp15

Die Favela filmt zurück (Screenshot rp15-Talk)

Die Favela filmt zurück (Screenshot rp15-Talk)

Spannend waren auch einige auf der Subkonferenz diskutierte Parallelen zu deutschen Hochhaussiedlungen wie dem Ihme-Zentrum in Hannover, die wie die Favelas mit ihrem schlechten Ruf kämpfen und gleichzeitig Labore für urbanen Wandel sind – und auch die Diskussionen, wie sich Erkennnisse aus Rios Favelas etwa auf politische Partizipation in Deutschland übertragen lassen könnten.

Drogengangs verjagen Polizei im Complexo do Alemão – Querschläger töten Frau

Das Complexo do Alemão steht vor einem Kollaps. Kaum ein Tag vergeht ohne Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Drogenbanden. Bei unserem Besuch am Sonntag lieferten sich beide Seiten am frühen Nachmittag die ersten Gefechte.
ComplexoDie Drogenbanden haben ihre Macht zurückerlangt, die Polizei hält mit ihrer Präsenz nur noch eine Fassade aufrecht. Die Kontrolle über die Favelas haben die staatlichen Sicherheitskräfte dort schon lange verloren. Die Drogenbanden bestimmen, wer sich wann, wie und wo aufhält.

Die Soldaten der UPP wurden aus ihrem Container – der ihnen als Basis diente – vertrieben. Außerdem haben die Banden eine Demarkationslinie geschaffen, an die sich die Polizisten halten müssen. Wenn sie sie überqueren sollten, drohen die Gangs den Polizisten mit Mord.

Anstatt in ihrem improvisierten Container stehen die Polizisten nun in einer Garage, mit Ventilator und Radio, abgeschlossen vom eigentlichen Geschehen und immer mit der Angst umzingelt und angegriffen zu werden.

Polizei verschanzt sich in Schule

Zum Teil versuchen sie sich in öffentlichen Gebäuden wie einer Schule zu verschanzen, was zu extrem gefährlichen Situationen für Unbeteiligte führt. Bilder zeigen zerschossene Schulen.

Complexo do Alemao: Fotos der Opfer kursierten schnell im Netz (Screenshot facebook)

Complexo do Alemao: Fotos der Opfer kursierten schnell im Netz (Screenshot facebook)

Am Mittwoch starb bei den Schießereien zwischen Polizei nicht nur ein Mitglied der Drogenbanden, sondern auch eine Frau und deren Tochter. Die Querschläger trafen die beiden in ihrer Wohnung. Die 41-jährige Frau erlag nach dem Schuss in den Rücken noch im Krankenhaus ihren Verletzungen. Ihre 15-jährige Tochter wurde am Arm getroffen.

Fotos der Opfer kursierten schnell im Netz (Screenshot facebook)

Fotos der Opfer kursierten schnell im Netz (Screenshot facebook)

Anwohner demonstrieren nach Tod von Frau
Für Mittwoch planen Anwohner eine Demonstration vor dem Regierungspalast des Gouverneurs, um die anhaltende Gewalt im Complexo do Alemão zu kritisieren.

Das Complexo do Alemão wurde 2010 vom Militär besetzt und erhielt 2012 seine erste UPP-Einheit.

Wir crowdfunden – Endspurt!!!!!

Wir wollen auch nach der Fußball-WM weiter recherchieren, was in den Favelas von Rio de Janeiro passiert. Dafür brauchen wir Eure Unterstützung.

Wir würden uns freuen, wenn Ihr Lust habt, uns bei der Crowdfunding-Plattform Startnext zu unterstützen, damit wir unsere Arbeit weiter verfolgen können – und das Material, das wir gesammelt haben, auch in eine Kurz-Doku zu verwandeln. Weitersagen, Twittern, Facebooken und Verteilen über sonstige Kanäle hilft natürlich auch.

Bildschirmfoto 2014-12-14 um 21.39.24

Was wir so tun und vorhaben, ein paar gute Gründe uns zu unterstützen und was mit dem Geld bei erfolgreichem Crowdfunding passieren soll, könnt Ihr bei Startnext nachlesen.

FINALEEEE #gerarg

Zapp. Und schon ist der Tag des Finales gekommen. Unser Video von der zweiten Brasilien-Niederlage gestern hängt noch in der Upload-Schleife, weil wir in unserem Favela-Haus gerade kein Internet haben und das Netz im Café auch besser sein könnte. Wir reisen jetzt los Richtung Maracanã. Live on Twitter: @buzzingcities

Tag des Anpfiffs (Foto: BuzzingCities)

Tag des Abpfiffs (Foto: BuzzingCities)

Neymar als Vorbild

Juliana: Neymar als Vorbild (Foto: BuzzingCities)

Juliana Leite, 14: Neymar als Vorbild (Foto: BuzzingCities)

Juliana Leites goldene Fußballschuhe sind von Neymar – zumindest entworfen hat er sie. An der Seite hat sie ihren Namen aufsticken lassen: „Juju Leite“. Auch sie will „Crack“ werden wie Neymar, Fußballstar – ein Traum, der in den Favelas von Rio meist noch Männersache ist.

Eben hat die 14-Jährige mit ihrem Fußballteam aus der Favela Rocinha den zweiten Platz abgeräumt, beim Turnier des Frauen-Fußball-Festivals „Discover Football“. Frauen gegen Frauen, aus vier Favelas. Das Spielfeld in der Favela Rocinha, in der auch Juliana wohnt, ist nur über Schleichwege zu erreichen, thront auf einer Anhöhe zwischen den eng aufeinandergestapelten Ziegelhütten der Favela. Den Siegerpokal nimmt das Team aus Cidade de Deus mit nach Hause. „Ein paar Spielerinnen haben rumgefoult und es war auch nicht so einfach auf dem Rasen zu spielen, weil er vom Regen noch so feucht war“, sagt Juliana. „Aber das Spiel war super.“

Als das Turnier ein bisschen länger dauert als geplant, die Mädchen noch ein paar Selfies auf dem Rasen knipsen und sich für Teamfotos aufstellen, fluchen die Männer auf den Bänken, regen sich auf – sie wollen selbst spielen. Für Mädchen und Frauen ist es immer noch schwierig, sich das Spielfeld zu erobern, sie kämpfen gegen viele Vorurteile und Barrieren. Die deutsche Intitiative „Discover Football“ unterstützt Mädchen und Frauen weltweit dabei, sich zu vernetzen, veranstaltet Expertinnenforen, Trainings und Turniere.

Discover_Cidade

Selfie nach dem Spiel - mit Pokal (Foto: BuzzingCities)

Selfie nach dem Spiel – mit Pokal (Foto: BuzzingCities)

Auch Juliana findet, dass es als Mädchen schwieriger sei, sich als Fußballerin durchzusetzen – unmöglich aber nicht. Sie spielt schon jetzt professionell Fußball in einem Jugendteam in Rio, fährt auch zu Auswärtsspielen. Und sie besucht eine Sportschule, pendelt jeden Tag mit dem Bus von der Rocinha nach Santa Theresa ins Zentrum der Stadt. Ihre Familie unterstützt sie, zusammen fiebern sie bei den WM-Spielen zuhause mit.

Die Leistung der brasilianischen Nationalmannschaft analysiert Juliana kühl: Sie sei nicht traurig gewesen, als die Brasilianer verloren haben – sie habe sowieso gewusst, dass Brasilien rausfliegt. „Die Brasilianer waren nicht auf das Spiel vorbereitet, haben kein gutes Team“, so Juliana. „Es ist ein Offensivteam – sie kümmern sich um die Attacken, aber sie achten nicht auf die Verteidigung, das ist das Problem.” Dass Brasilien 2014 das Land der WM ist, findet sie trotzdem “cool”.

 

Zitterpartie zum Achtelfinale

 

Beten, Zittern, T-Shirt über den Kopf: Viele Favelabewohner wollten heute gar nicht hinsehen – so sehr bangten sie um den knappen Sieg. Dann die Erlösung – und die Favela rastete aus, als Brasilien im Achtelfinale gegen Chile siegte.

“Das Filter”-Interview: „Politik, Polizei und Drogengangs sind miteinander verflochten“

Das Kulturmagazin “Das Filter” hat uns interviewt, über die Favelas, die Besetzung, und popkulturelle Trends, die aus der Favela kommen:

“Die WM in Brasilien ist im vollen Gange. Frenetische Fans und beste Samba-Laune markieren die hiesige Berichterstattung. Zwar wird ab und dann oberflächlich über Proteste abseits der Großveranstaltung berichtet, aber was passiert genau in den Favelas? Die Journalistinnen Julia Jaroschewski und Sonja Peteranderl berichten live aus den noch immer von Drogengangs beherrschten Gebieten Brasiliens. Sie zeigen, dass Gewalt auch während des Turniers ein alltägliches Thema ist. Erst gestern starben bei blutigen Schießereien im Complexo do Alemão zwei Teenager und ein Polizist. Die großen Medien berichteten bisher nichts vom Tod der beiden Jungen. Wie die Stimmung in Brasilien wirklich ist und ob die Favelas durch mehr Polizeipräsenz wirklich sicherer geworden sind, erklären sie uns in diesem ausführlichen Interview. Sie zeigen aber auch, dass Favelas mehr sind als Drogen, Kampf und Gewalt. Denn, und das wissen nur wenige: Hier entstehen auch die wahren Trends der brasilianischen Popkultur.”

Das Filter

Stromausfall zum WM-Spiel

Tröten, bemalte Kinder, gelbe Trikots, Fans vor den Bars – die WM-Gleichgültigkeit der letzten Tage war verflogen, als Brasiliens Seleção gestern wieder auf dem Spielfeld stand. Ein paar Minuten fieberten die Favelabewohner mit – dann wurden die Bildschirme schwarz, die Fans saßen in den Bars im Dunklen.

Ein Raunen ging durch die Favela. Der Kabelbrand am Nachmittag hatte den Strom im oberen Teil des Hügels abgekappt, nur ein paar Minuten nach Abpfiff. An den Stromsäulen bastelten dann tatsächlich auch Mitarbeiter der Energiefirma.

Geduldiges Warten - trotz Stromausfall bei WM-Spiel

Geduldiges Warten – trotz Stromausfall bei WM-Spiel

Improvisationstalent rettete die Favela-WM: Einige setzten sich in ihre Autos und hörten dem Spiel im Radio zu, andere beschallten mit ihren aufgemotzten Autos gleich die ganze Nachbarschaft: offener Kofferraum, Anlage an. Goooool. Anstatt zu meckern oder grölen, nutzte jeder, was ihm zur Verfügung stand- oder wartete einfach ab.

An der Favela-Hauptstraße ballerten ein paar junge Männer Feuerwerkskörper unter die fahrenden Minibusse. Gleich kamen die UPP-Polizisten mit gezückten Gewehren anmarschiert. Nach den Schießereien in den vergangenen Tagen ist die Stimmung unter den Polizisten angeheizt – mit Waffen im Anschlag marschierten sie durch die Straßen und sausten im Polizeiauto durch die Favela.

Halbzeit-Hopping diesmal zum Public-Viewing am wohlhabenden Fuß des Berges, außerhalb der Favela, im Viertel Gavea, in einem Open-Air-Club. Dort waren die Gäste allerdings mehr aneinander interessiert als an der WM. Als Brasilien mit 4:1 das Spiel gewann, jubelten trotzdem alle. Unten am Berg und auf dem Berg.

 

 

Kabelbrand in der Rocinha

Feuer_Rocinha Feuer_Rocinha2 Rocinha_Feuer1

Die dicken Stromkabelbündel, die überall über der Rocinha hängen, haben heute oben auf dem Berg Feuer gefangen. Das Feuer hat sich auf mehrere Knotenpunkte der maroden Stromnetze ausgebreitet. Immer wieder krachten Kabel auf die Straße, die Auffahrtsstraße wurde von der Feuerwehr gesperrt, allerdings liefen trotzdem einige Bewohner unter der Brandstelle durch.