Teilhaber von Favela-Club “Alto Vidigal” tot

Alto Vidigal

Alto Vidigal

Das “Alto Vidigal”, eines der ersten Favela-Hostels in Rio de Janeiro und der bekannteste Favela-Club, hatte sich nach Streitigkeiten um die Rechte an der Immobilie gerade wieder erholt – nun wurde heute Nacht Mille B. tot aufgefunden, der schwedische Geschäftspartner des Österreichers Andreas Wielend.

Während Andreas Wielend, der das “Alto Vidigal” aufgebaut hat, während der WM in Österreich ist, kümmerte sich Mille B. um den Betrieb des “Alto Vidigal”, lebte seit zwei Monaten in der Favela. Mitte Juni empfing er dort noch einen Reporter des österreichischen Boulevardblattes “Kronenzeitung”. “Willkommen in der Favela, ist ja ganz ungefährlich”, wird Mille B. in dem Artikel zitiert.

Polizisten der Befriedungspolizei UPP fanden den jungen Mann gestern in der Herberge, mit Verletzungen am Kopf und Kratzer am Körper. Der Polizei zufolge soll es sich nicht um einen Raubüberfall gehandelt haben, da aus dem Zimmer nichts entwendet wurde, in dem Mille B. gefunden wurde. Die Polizei sucht nach Zeugen und Verdächtigen, Kamerabilder aus der Favela werden derzeit ausgewertet.

 

#FavelasOnline: BuzzingCities auf Radio Eins

Vor ein paar Tagen hat Radio Eins uns interviewt – das Gespräch über die Entstehung der Favelas, die Besetzung der Armenviertel von Rio de Janeiro vor der WM, Sicherheit, Digitalisierung, FavelaPride und Favelatourismus, ist noch bis zum 24.01. auf der Webseite von Radio Eins zu hören.

Interview auf Radio Eins

 

Wie sicher ist eine Favelatour?

Einer unserer Leser hat für kommende Woche eine Favelatour durch die Rocinha gebucht, und möchte gerne wissen, wie die Sicherheitslage aussieht – und ob wir eine Tour angesichts der Dauer-Schießereien empfehlen würden.

“… ich verfolge euer Blog seit einiger Zeit, weil ich nächste Woche nach Rio reise und bei dieser Gelegenheit auch eine Tour durch Rocinha (…) geplant habe. Nun ist mir zwar klar, daß selbst in Rocinha nicht von europäischen Sicherheitsmaßstäben ausgegangen werden kann. Andererseits kann ich es freilich nicht einordnen, ob die von euch in letzter Zeit berichteten Schießereien noch innerhalb der Norm liegen. Könnt ihr mir sagen, was man davon zu halten hat? Finden die Schießereien nur in bestimmten Teilen Rocinhas statt? Lediglich zwischen Dealern und Polizei? Kann man davon ausgehen, daß ein Schußwechsel nicht ausgetragen wird, wenn Unbeteiligte in der Nähe sind, oder geht es da rücksichtslos zu?”

Unsere Antwort:

(…) die Schießereien in diesem täglichen Umfang und täglich sind schon extrem, allerdings finden diese vor allem Nachts statt (meist gegen 21, 22, 23, 24 Uhr). Schusswechsel tagsüber wie am Montag oder heute früh sind sehr selten.

Häufig sind diese Schusswechsel auf Gebiete der Rocinha begrenzt, in denen sich Touristen eher nicht herumtreiben, etwa Roupa Suja. Zuletzt kam es aber auch in/um Rua 1, 2, 3, 4 vermehrt zu Schießereien, also Gassen/Straßen, die von der Hauptstraße abgehen und stark frequentierte Wege durch die Rocinha sind. Mit der Tour wirst du ein Stück durch die Rua 1 laufen, allerdings den ruhigeren Teil.

Hintergrund der häufigen Schusswechsel derzeit sind einerseits Rivalitäten innerhalb der Drogengang, die die Rocinha beherrscht. Andererseits kommt es – teils auch als Folgeerscheinung des ersten Phänomens – zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Oder Polizisten wurden etwa bei Patrouillen in den Gassen von Mitgliedern der Drogengang überrascht, daraufhin kam es zu Schusswechseln. Meistens passiert das, wie gesagt, eher nachts.

Sowohl Gang als auch Polizei sind um gute PR bedacht: Weder Anwohner noch Touristen sind das Ziel dieser Auseinandersetzungen – wobei es schon Anwohner gab, die von Streifschüssen getroffen wurden. Wenn man mit Bewohnern der Favela unterwegs ist, wissen diese aber eigentlich, wie man sich verhalten muss.

Da die Favela keineswegs eine permanente Kriegszone ist, und angeschossen zu werden sicher extremes Pech bedeutet, würden wir persönlich die Tour wahrscheinlich trotzdem machen. Wir sehen hier auch fast täglich Touristen, selbst in den vergangenen Tagen. Das Alltagsleben geht in der Rocinha auch normal weiter (wenn nicht gerade eine Schießerei geschieht) und am unteren Teil des Berges und auf der Hauptstraße ist es fast immer relativ sicher.