Zertrümmerte Einrichtung: Megaoperation im Complexo do Alemão

Mit einer Megarazzia sind die brasilianischen Sicherheitskräfte am Mittwoch gegen die Drogengang im Complexo do Alemão vorgegangen. 300 Polizisten und 150 Militärs sollten im Rahmen der „Operacão Germania” per Haftbefehl gesuchte Kriminelle aus den Favelas des Complexo do Alemão festnehmen.

Seit August vergangenen Jahres hatten Polizisten die Favelas infiltriert, und per Videoüberwachung Aktivitäten der Mitglieder der Drogengang gefilmt. Auch mehrere Führungsmitglieder des Comando Vermelho, der im Alemão dominierenden Drogengang, waren so identifiziert worden. Zehn Kriminelle wurden bei der Razzia festgenommen.

Nach den andauernden Schießereien in den vergangenen Tagen brachte die Mega-Operation aber auch erneut Aufruhr in die Favelas. Bei der Aktion haben die Sicherheitskräfte Whatsapp-Beschwerden zufolge auch mindestens ein Haus verwüstet: Ein Favelabewohner postete ein Foto von seiner Wohnung nach der Razzia, in der die Möbel zertrümmert waren und die Gegenstände chaotisch herumliegen. “Ich bin Arbeiterin und zahle meine Rechnungen jeden Tag – ich habe das nicht verdient”, beschwerte sich die Bewohnerin. “In der Südzone wäre die Polizei niemals so vorgegangen”, kommentierte ein anderer Favelabewohner.

Schießereien: Erneut Verletzte im Complexo do Alemão

Bei heftigen Schießereien am vergangenen Freitag wurden in den Favelas des Complexo do Alemão im Norden von Rio erneut mehrere Menschen angeschossen. Den ganzen Tag waren immer wieder Salven in verschiedenen Teilen des Favela-Komplexes zu hören, Anwohner versuchten sich in sozialen Netzwerken vor den Schießereien zu warnen.

Zwei Männer, wohl Mitglieder der Drogengang, wurden in der Alvorada bei einem Schusswechsel zwischen Polizei und Drogengang in der „Rua Sem Saída“ (Straße ohne Ausgang) angeschossen. Ein siebenjähriger Junge wurde beim Spielen in der Favela Bulufa von zwei Querschlägern ins Bein getroffen — er lief mitten in eine Schießerei hinein, als er seinem Ball nachrennen wollte. Auch ein Soldat traf eine Kugel ins Bein. Ein weiteres mutmaßliches Mitglied der Drogengang wurde mit einer Kugel im Bein festgenommen.

Ein Jugendlicher wurde mit einem Kreislaufstillstand in der Krankenversorgungsstelle eingeliefert — er hatte sich wohl vor den Schießereien gefürchtet. Am frühen Morgen wurde ein weiterer Polizist bei einem Schusswechsel in der Favela Nova Brasília von einem Streifschuss am Kopf getroffen und ins Krankenhaus gebracht.

Blutiger Drogenkrieg in Rios ältester Favela

Morro da Providência, die älteste Favela Rios, die direkt neben dem Hauptbahnhof liegt und eigentlich von der Polizei befriedet werden sollte, ist zum blutigen Schauplatz des Drogenkrieges geworden: Mitglieder der lokalen Drogengang hatten am Donnerstagnachmittag das Feuer auf ein Undercover-Aufklärungsfahrzeug der Bope-Spezialtruppe eröffnet und es mit 15 Schüssen durchlöchert. Ein Soldat starb, zwei Soldaten wurden angeschossen. Bei darauffolgenden Schusswechseln wurden auch fünf Favelabewohner getötet, der Polizei zufolge Kriminelle.

„Wenn wir eine Operation mit Toten haben ist das nichts Gutes. Die Menschen, die auf die Polizisten geschossen haben, werden dann auch Schüsse abbekommen“, rechtfertigte Rios Sicherheitsminister José Mariano Beltrame bei der Beerdigung des erschossenen Soldaten den Vergeltungsschlag.

Es ist ein Krieg, bei dem alle Seiten nur verlieren können.

Die Atmosphäre in der Providência ist angespannt, die beiden Schulen der Favela und die zwei Kindergärten wurden aus Sicherheitsgründen geschlossen. Der Soldat, der in der Providência erschossen wurde, hatte sich mit seiner Tätigkeit als Bope sein Studium finanziert — und hatte seiner Familie zufolge geplant, nach Studiumsabschluss als Soldat aufzuhören, weil er ihm zu gefährlich war.

Als die Favela besetzt wurde, hatten Polizei und Bewohner die Hoffnung, das ein neues Verhältnis möglich wird (siehe Video). Doch die Gewaltspirale scheint sich doch jetzt wieder zurückzudrehen.

Im Kreuzfeuer: Mega-Operation in der Rocinha

Patrouille in der Rua 1 (Foto: BuzzingCities)

Patrouille in der Rua 1 (Foto: BuzzingCities)

Morgens Schüsse in der Rocinha, nachmittags Schießereien im Complexo do Alemão, wo wir gedreht und Freunde besucht hatten. Abends wieder stundenlange Schießereien in der Rocinha.

Wir sind gerade in einer Schusspause zurück in die Rocinha gekommen – andernfalls hätten wir unser Haus auch nicht erreicht, weil es direkt in dem Gebiet liegt, in dem sich die meisten Schusswechsel ereignet haben. Vor dem Eingang zur Rua 1, an der wir wohnen, standen Militärpolizisten Spalier, mehrere Polizeiautos und eine Gruppe von UPP-Polizisten hatten den Eingang blockiert.

Kurz zuvor hatten Mitglieder der Drogengang in der Rocinha an der Rua 1 fünf UPP-Polizisten überfallen und von ihren Verstecken zwischen den Häusern auf sie geschossen, ein UPP-Polizist wurde am Kopf verletzt. Soldaten der Elitetruppe Batalhão de Operações Especiais (BOPE) durchkämmten daraufhin die Gegend rund um die Rua 1, stundenlange Schussgefechte folgten. Auch ein BOPE wurde angeschossen. Favelabewohner berichteten von einem oder zwei Bewohnern, die vor ihrer Haustür angeschossen wurden, offizielle Bestätigungen gibt es nicht.

Zur Verstärkung wurden UPP-Polizisten aus den Favelas Pavão Pavãozinho und Cantagalo, Corôa, Fallet und Fogueteiro, Chapéu Mangueira, Babilônia und Vidigal eingesetzt, die zahlreiche Knotenpunkte und Zugänge absperrten, während die BOPE die Favela durchsuchten.

Update: Auch am Sonntag fanden wieder Schießereien statt.

Von Kugeln durchschlagene Fensterscheiben

Aufgeplatzte Wände, von Kugeln durchschlagene Fensterscheiben, Favelabewohner, die Behälter voller Patronen präsentieren: Videos und Fotos aus den sozialen Netzwerken dokumentieren die heftigen Spuren der Schießereien, die heute in der Favela Rocinha stattgefunden haben.

Gegen 6.30 Uhr morgens begann die Auseinandersetzung zwischen Polizei und Mitgliedern der Drogengang – die Polizei war angerückt, da sie Hinweise erhalten hatten, dass sich in der Rua 2 in der Rocinha ein hochrangiges Mitglied der Gang aufhalten soll. Das Gefecht hinterließ durchsiebte Häuserwände. Ein grünes Haus wurde besonders schwer beschädigt – offensichtlich hatte sich hier der Gesuchte verschanzt. Über der Rocinha stieg auch eine schwarze Rauchwolke auf, weil ein Motorrad Feuer gefangen hatte. Verletzt wurde niemand.

Die Polizei konnte den gesuchten Gangster nicht festnehmen. Sie brach die Operation trotzdem ab, auch weil der Gouverneur von Rio de Janeiro, Luiz Fernando Pezão, mittags zu einem Termin in der Rocinha erwartet wurde. Die nächsten Schießereien werden in Kürze folgen – die Polizei hat angekündigt, die Suche nach dem untergetauchten Kriminellen noch in dieser Woche fortzusetzen.

Becher voller Patronen (Screenshot: Facebook)

Zerschossenes Fenster (Foto: Facebook)

Zerschossenes Fenster Screenshot: Video)

Durchsiebte Wände in der Rua 2 (Foto: Facebook)

Durchsiebte Wände in der Rua 2 (Screenshot: Video)

Complexo do Alemão: Zwei Teenager erschossen

Von “Befriedung” kann man im von der Polizei besetzten Favelakomplex Complexo do Alemão im Norden von Rio nicht sprechen. Heute Abend kam es erneut zu Schießereien.

In den sozialen Netzwerken schicken Favelabewohner Traueranzeigen der getöteten Jugendlichen (Screenshot: Facebook)

In den sozialen Netzwerken schicken sich Favelabewohner Traueranzeigen der getöteten Jugendlichen zu (Screenshot: Facebook)

Bei einer Patrouille kurz vor acht Uhr stießen Polizisten auf Mitglieder der Drogengang, bei dem Schusswechsel wurde ein Polizist in den Kopf geschossen. Er befindet sich mit schweren Verletzungen im Krankenhaus wie das Nachrichtenportal G1 berichtet.

Favelabewohnern zufolge sind heute Abend aber auch zwei Teenager von der Polizei erschossen worden. Einer der Jungen wurde in einem Imbiss getötet, in einer Gegend, in der sich die Drogenbanden häufig aufhalten. Die großen Medien berichten bisher nichts vom Tod der Jugendlichen.

Erst in der vergangenen Woche war ein Jugendlicher von der Polizei erschossen worden. Seit Jahresbeginn ist es zwischen Polizei und Mitgliedern der Drogengang im Complexo do Alemão zu mehr als 80 Zusammenstössen gekommen.

Blutige Nacht mit drei Toten

Update: Der verletzte Polizist, der bald seinen 31. Geburtstag gefeiert hätte, ist im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen. Die beiden erschossenen Jugendlichen wurden nur 15 beziehungsweise 17 Jahre alt. Das Nachrichtenportal “O Globo” hat inzwischen mit einem Artikel nachgezogen. Ein weiterer junger Mann wurde angeschossen, ebenso ein weiterer Polizist verletzt. “O Globo” spricht in Bezug auf die beiden Jugendlichen von “Verdächtigen”, Familie und Freunde dementieren in den sozialen Netzwerken, dass sie Verbindungen zu den Drogengangs hatten. Die Favelabewohner diskutieren das Geschehen kontrovers. “Unabhängig davon, wer oder was sie waren, es sind trei Tote mehr! Ein sinnloser Krieg ohne Ende…”, so eine Favelabewohnerin.

Schüsse zur WM

Heute hat der Tag in der Favela wieder mit Schießereien begonnen. Gegen acht Uhr morgens haben sich Polizei und Drogengang in der Cachopa beschossen, später auch in anderen Gebieten der Favela. Eine Person wurde Berichten zufolge verletzt.

 

 

Verfolgungsjagd mit Schusswechseln

Bei einer Patrouille ist die UPP heute gegen 17.30 Uhr in der Rua 2 wieder einmal auf Mitglieder der Drogengang gestossen. Bei einem Schusswechsel wurde eines der Gangmitglieder an der Brust angeschossen, rannte aber dennoch von der Rua 2 (relativ weit oben am Berg) hinunter zum Eingang der Favela, und wollte wohl über die Brücke flüchten.

Die Szenen, wie die Polizisten sich mit ihren Gewehren über die Passarella vortasteten, sehen aus wie in einem schlechten Action-Film. Die Straßenhändler am Eingang der Favela hatten bei den Schusswechseln schlagartig ihre Stände verlassen, Passanten brachten sich in Sicherheit. Die Polizei stellte den verletzten Drogendealer auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Favela, und transportierte ihn ins Krankenhaus.

Auch am Morgen hatte es Favelabewohnern zufolge bereits Schüsse in der Rocinha gegeben. Paz?

Einschussloch an einer Hauswand (Foto: Viva Rocinha)

Einschussloch an einer Hauswand (Foto: Viva Rocinha)