Brasiliens neuer Präsident ist auch dank seiner Digitalstrategie an die Macht gekommen. Weil er auch Desinformationskampagnen, Hetze und Diffamierung unterstützt hat, sind Netzexperten besorgt.
Brasiliens neuer, ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro beherrscht die Spielregeln des Internets: Er wendet sich per Livestream an die Bürger, seine Hetze gegen Frauen, Schwarze, Homosexuelle und Linke geht in sozialen Netzwerken viral – und kritische Journalisten blockiert er auf Twitter. Auch dank seiner Digitalkampagne hat es der einstige Außenseiter ins Präsidentenamt geschafft.
Vier Schießereien pro Tag: So viele Auseinandersetzungen mussten Favelas in Rio de Janeiro 2017 erleben, die von der Befriedungspolizei UPP besetzt worden waren – die eigentlich als Stabilisator gedacht war. Jetzt geht die Zahl der Auseinandersetzungen zurück, doch dahinter steckt kein positives Phänomen.
Insgesamt 8.175 Mal lieferten sich UPP-Einheiten von Januar 2014 (dem Beginn des Fußball-WM Jahres) bis September 2018 Schusswechsel mit Kriminellen, wie ein Polizeidokument belegt, das EXTRA vorliegt. Die meisten Schießereien wurden in Nova Brasília im Complexo do Alemão registriert, einem Favela-Komplex im Norden von Rio de Janeiro. Allein im April 2014 war die dortige UPP-Einheit etwa in 36 Schießereien involviert. An zweiter Stelle des fragwürdigen Rankings: die berüchtigte Armensiedlung Cidade de Deus (“City of God”) – dort war schon während Olympia abzusehen, dass die Befriedungspolizei die Auseinandersetzung mit den Drogengangs verloren hat. Mittlerweile wurde die UPP dort abgezogen.
2017 war das konfliktreichste Jahr der gesamten Geschichte der Befriedungspolizei, die seit 2008 in ausgewählten Favelas von Rio de Janeiro stationiert worden war, um für Polizeipräsenz und Sicherheit in und um die Armensiedlungen herum zu sorgen. Insgesamt 2.142 Schießereien, also durchschnittlich eine Schießerei alle vier Stunden – wurden registriert. Die registrierten Schusswechsel haben sich von 2014 bis 2017 mehr als verdoppelt. In diesem Jahr sind die Auseinandersetzungen leicht zurückgegangen – allerdings nur, weil die UPP-Einheiten weniger auf Konfrontation setzen, ihre Präsenz stark abgenommen hat oder die Einheiten in mehreren Favelas komplett aufgelöst worden sind.
Zehn Jahre nach der Einführung eines Sicherheits-Experiments, das auf eine Polizei der Nähe und soziale Investitionen setzen wollte, ist die UPP am Ende – und der Staat kapituliert vor den Drogengangs, aber auch vor der komplexen sozialen Gemengelage in Rios Favelas und der gesellschaftlichen Ungleichheit, die im Lauf der Jahrzehnte dazu geführt hat, dass ganze Städte in der Stadt dem staatlichen Zugriff entzogen worden sind. Unter der Bolsonaro-Administration, die zum Jahresbeginn 2019 startet, ist die vollständige Rückkehr zur klassischen, militarisierten Politik der harten Hand zu erwarten.
Polizei und Militärs in Rios Favelas (Foto: BuzzingCities Lab)
Ein Präsidentschaftskandidat, der sich mit Livestreams an die Bevölkerung wendet, Desinformationskampagnen auf WhatsApp und ein zerrissenes Land. Der Wahlkampf 2018 hat Brasilien gespalten – das Radioeins Medienmagazin hatte uns über den Wahlkampf interviewt.
Bald wird Brasilien vom ultrarechten Ex-Militär Jair Bolsonaro regiert. Was das genau für das Land bedeuten wird, ist noch unklar. Die Erwartungen der Bevölkerung schwanken derweil zwischen Hoffnung und Angst.
Am Sonntag um kurz nach 19 Uhr, als die Wahlergebnisse bekannt wurden, jubelten Tausende Anhänger Bolsonaros am Strand vor dessen Haus in Rio. Sie feierten mit Feuerwerken, Autokorsos und lauter Musik den Sieg des Rechtspopulisten. Bolsonaros Kritiker bangen vor dem, was nun folgen könnte.
Fluter Magazin
Rund 55 Prozent der Wählerinnen und Wähler hatten für Jair Bolsonaro gestimmt, der für die Sozial-Liberale Partei (PSL) ins Rennen ging. Knappe 45 Prozent stimmten für seinen Kontrahenten Fernando Haddad von der linksgerichteten Arbeiterpartei. Vier Jahre ist Bolsonaro nun regulär Präsident, und damit ist er in Brasilien nicht nur Staatsoberhaupt, sondern auch Regierungschef.
Der ehemalige Militär und langjährige Abgeordnete für wechselnde Parteien ist in Brasilien und international hoch umstritten. Er drohte der Opposition mit Verfolgung, verherrlichte die brasilianische Militärdiktatur und äußerte sich wiederholt demokratieverachtend, rassistisch, frauenfeindlich und homophob.
Jair Bolsonaro kündigte „Säuberungen“ für den Fall seines Wahlsieges an. Nun hat er die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Bringt er jetzt auch die Kritik in sozialen Netzwerken zum Schweigen? Breitband vom Deutschlandfunk Kultur hat uns zum Onlinewahlkampf, der Rolle von Whatsapp und der Zukunft der digitalen Öffentlichkeit in Brasilien interviewt.
Der neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ist ein Politiker, dessen Positionen man durchaus als rechtsradikal beschreiben kann. So verhalf ihm vor allem sein Onlinewahlkampf zum Erfolg: Hetze, Fake News und gezielte Online-Attacken wurden vor allem auf Whatsapp zu viralen Kampagnen. Für den zu Facebook gehörenden Messenger ist Brasilien einer der größten Märkte weltweit, rund 120 Millionen Menschen nutzen den Dienst. Gleichzeitig ist das Vertrauen in traditionelle Medieninstitutionen zutiefst erschüttert.
Wie wird sich nach der Wahl die Medien- und Netzöffentlichkeit in Brasilien verändern? Werden Falschmeldungen und Kampagnen gegen politische Gegner weiter zunehmen oder bilden sich neue zivilgesellschaftliche und netzpolitische Initiativen heraus?
Viele Brasilianer sehen in Jair Bolsonaro keinen Rechtsextremen, sondern einen Heilsbringer. Dabei droht der Umbau zu einem autoritären Staat, eine Ausweitung der Militär-Macht, die Verschärfung der sozialen Kluft durch eine neoliberale Wirtschaftspolitik – und eine Eskalation der Gewalt.
Im Wahlkampf hat Jair Bolsonaro sich vor inhaltlichen Auseinandersetzungen mit seinem Rivalen Fernando Haddad gedrückt – in seinen Livestreams ging es meistens um Panikmache vor dem Kommunismus und Hetze gegen Minderheiten und politische Feinde, statt um konkrete Reformen.
55 Prozent der Brasilianer haben den Ex-Fallschirmjäger und Fan der Militärdiktatur zum neuen Präsidenten Brasiliens gewählt.
Wenn Bolsonaro am 1. Januar 2019 sein Amt antritt, steht Brasilien ein drastischer Kurswechsel bevor – denn das Brasiliens neuer Saubermann hart durchgreifen will, sind nicht nur Sprüche. “Bolsonaro wird Militärpersonal in Schlüsselpositionen positionieren und die Rolle des Militärs in der Öffentlichen Sicherheit verstärken”, sagt der Politikwissenschaftler Wagner Romão, Professor an der Universität von Campinas (Unicamp), t-online.de. “Er droht auch, Universitäten stärker von außen zu kontrollieren, um die angebliche Dominanz von linkem Gedankengut zu unterbinden und plant, die Landlosenbewegung als Terroristen einzustufen.”
Heute ist der Tag der Schicksalswahlen in Brasilien – und das Land ist nach einem schmutzigen Wahlkampf so gespalten wie zuvor. BuzzingCities berichtet live vom entscheidenden Wahlmarathon.
Brasiliens Wahlen sind automatisiert: Elektronische Wahlurnen beschleunigen die Auszählung in dem riesigen Land. Doch vor den Präsidentschaftswahlen in Brasilien steigt die Angst vor manipulierten Wahlensystemen.
In Brasilien droht ein Rechtsruck bei den Präsidentschaftswahlen – und selbst arme, schwarze Brasilianer wollen Jair Bolsonaro ihre Stimme geben, der im Wahlkampf gegen Minderheiten hetzt. Warum? Unterwegs in den Favelas mit Anhängern und Gegnern.
Es war ein Aufkleber, der den Angreifer provozierte: “Ele não”, “Er nicht”, stand darauf. Als Gabi Coelho mit diesem Aufkleber durch eine Stadt im Südostens Brasiliens lief, riss ein Mann an ihrem Rucksack, schüttelte sie und beschimpfte sie als “linker Affe” und “schwarzer Affe”. Erst als ein Fremder einschritt, konnte sie sich befreien.
Mit diesem Aufkleber kämpft die Studentin Gabi Coelho, 20, gegen Jair Bolsonaro, der rechtspopulistische Präsidentschaftskandidat tritt am Sonntag in Brasilien zur Stichwahl an.
Illegale Wahlkampffinanzierung: Anhänger des rechtskonservativen Präsidentschaftskandidaten Bolsonaro haben die massenhafte Versendung von WhatsApp-Fakenews beauftragt, um Stimmung gegen Haddad zu machen.