Sicherheit Rio 2016: Schuss schlägt in Olympia-Reitsportzentrum ein

Querschläger aus Rios Favelas (Foto: Julia Jaroschewski/BuzzingCities)

Querschläger aus Rios Favelas (Foto: Julia Jaroschewski/BuzzingCities)

Brasilianischer Drogenkrieg trifft auf Olympische Spiele: Das Pressezentrum der Reitarena in Deodoro wurde von einem Querschläger getroffen – Journalisten fanden die Kugel.

Währenddessen hatten die Proben für Reitwettbewerbe bereits angefangen, niemand wurde verletzt. Auch aufgrund der aktuellen Terrorwarnung war die Aufregung aber groß. Verteidigungsminister Raul Jungmann war vor Ort, um die Spurensicherung und Ermittlung zu verfolgen – auch weil das Olympische Reitsportgelände auf Militärgelände liegt, der Militärreitschule.

Mário Andrada, dem Olympia-Sprecher zufolge, war der Schuss aber nicht gegen Olympia gerichtet und auch keine gezielte Attacke: „Es gibt kein Risiko.“

In Deodoro finden zwar auch Sportschießwettbewerbe statt, die Kugel stammte aber offenbar aus einer der nahegelegenen Favelas: Der Sportkomplex in Deodoro befindet sich nur 2,5 Kilometer von der Favela „Minha Deusa“, in der gegen 13 Uhr heftige Schießereien stattfanden.

In den Favelas von Rio de Janeiro treffen Querschläger immer wieder in Häuserwände ein oder durchschlagen sie, zahlreiche Menschen wurden in der Vergangenheit bei Auseinandersetzungen zwischen Drogengangs oder Gang und Polizei von Querschlägern getötet.

Rocinha/São Conrado: Streit um den Namen der Metro-Station

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Pünktlich zu den Olympischen Spielen soll auch die neue Metrostation direkt an Rios größter Favela Rocinha fertiggebaut werden — die unter anderem den Zehntausenden Arbeitern und Angestellten aus der Rocinha den Arbeitsweg erleichtern wird und den Bewohnern der umliegenden Viertel eine Alternative zu den überfüllten, durch Staus behinderten Bussen bietet.

Die Station liegt direkt zwischen einem der Eingänge der Favela Rocinha und dem an die Rocinha anschließenden Stadtviertel São Conrado, einem der reichsten Viertel der Stadt. Der Name der neuen Metrostation: São Conrado.

Mit einer ePetition fordern Initiatoren jetzt, dass die Station den Namen beider Viertel tragen soll: Rocinha/São Conrado. Der Name der Station ist mehr als nur ein Name, er ist ein Symbol: für die Repräsentation beider Gesichter von Rio de Janeiro, Reich und Arm. „Wir arbeiten für eine integrierte Stadt und wir finden, dass die Anerkennung von Namen und historischen Gebieten zentrale kulturelle Fundamente sind, um dieses Ziel zu erreichen – deswegen fordern wir, dass die Metrostation Rocinha/São Conrado heißen soll“, so die Initiatoren der Petition.

Kokain vom Weihnachtsmann

Weihnachts-Sale auch bei Brasiliens Dealern: In São Paulo haben Drogenverkäufer ihre Ware in Weihnachtsgrüße umfunktioniert und auf jedes Kokain-Päckchen das Papier-Gesicht von “Papai Noel” geklebt. Auf ein eigenes Weihnachtsfest müssen zumindest einige der kreativen Dealer wohl verzichten: Drei Männer Anfang 20, die das Kokain verkauft hatten, wurden Mitte Dezember in São Paulo festgenommen und inhaftiert.

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Polizei exekutiert fünf Jugendliche

Rios Polizei sollte zur Vorzeigetruppe werden, doch anstatt mehr Sicherheit zu schaffen, tötet sie Menschen aus den Favelas – viele von ihnen sind Jugendliche, meist junge, schwarze Männer.

Es ist eine Nachricht, die große Wellen schlägt in Rio: Vier Polizisten erschießen fünf Jugendliche in einem Auto – mit mehr als 100 Patronen. 81 Schüsse vom Gewehr, weitere 30 gehen von einer Pistole aus. Die Polizisten sagen später, sie hielten die jungen Männer für Drogengangster. Die Familien sagen, die Polizisten agierten willkürlich und ermordeten die Jugendlichen, weil sie aus der Favela kamen.

Die fünf getöteten Jugendlichen (Screenshot Facebook)

Die fünf getöteten Jugendlichen (Screenshot Facebook)

Es war ein lauer Abend in Costa Barros, einer Favela in der Nordzone Rios. Fünf Freunde zwischen 16 und 25 Jahren fuhren mit dem Kleinwagen in ein Shoppingcenter, trafen sich im Anschluss mit weiteren Kumpels in einem Park, um das erste Gehalt des 16-jährigen Roberto S. zu feiern. Er arbeitete seit kurzem in einem Supermarkt und wollte seine Freude mit den Freunden teilen. Auf dem Rückweg gegen 1 Uhr morgens wurden die Jugendlichen von Polizisten angehalten, die das Auto nach eigenen Angaben mit dem von Gangstern verwechselten. Anschließend kam es zur heftigen Schießerei, die mit dem Tod der fünf jungen Männer endete.

Als Grund gaben die Polizisten Selbtverteidigung an – sie behaupten, sie seien von den Jugendlichen angegriffen worden. Neben dem Auto hatte man Pistolen gefunden. Beobachter der Szene berichten jedoch, dass die Polizisten diese Pistolen neben dem Auto platziert haben, um ihre Tat zu vertuschen, denn die fünf jungen Männer trugen gar keine Waffen mit sich. Continue reading

5 Jahre Besetzung des Complexo do Alemão

Zum fünften Mal jährt sich der Tag der Besetzung im Complexo do Alemão und noch nie zuvor war die Beziehung von Polizei und Anwohnern so vergiftet wie jetzt.

3000 Soldaten in Panzern, zu Boden, in Hubschraubern, begleitet von den Scharfschützen der Elitetruppe Bope stürmten vor genau fünf Jahren die Favelas im Complexo do Alemão – es wurde ein Wendepunkt in der Geschichte der Favelasiedlung. Ein Wendepunkt, von dem die meisten mittlerweile wünschten, er wäre nie geschehen.

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Screenshot Facebook Aktivist Raull S.

Die Folgen der Besetzung der Favelas durch Militär und Polizei vor exakt fünf Jahren sind nicht wie erwartet positiv – im Gegenteil, Bewohner und Drogenbanden kämpfen für den Abzug der Truppen. Die Situation ist so zugespitzt, dass selbst die Mehrheit der stationierten Polizisten für einen Rückzug ist.

Proteste Complexo do Alemão (Credit: Julia Jaroschewski)

Proteste Complexo do Alemão (Credit: Julia Jaroschewski)

Die Besetzung machte Rene Silva bekannt – er und das Team der Voz da Comunidade waren die ersten, die live von der Besetzung berichteten. Groß war der Wunsch nach einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Tausenden Bewohner in Rios Nordzone: Man hoffte auf Jobs, steigende Gehälter, besssere Gesundheitsversorgung und vor allem mehr Sicherheit.

Doch die Phase der Hoffnung auf große Veränderungen in den Armenvierteln legte sich relativ schnell. Continue reading

Countdown: Ein Jahr vor Olympia – die größten Herausforderungen

Favelabeat (Foto: BuzzingCities)

Countdown (Foto: BuzzingCities)

Sicherheitsprobleme, Baustellen, verschmutztes Wasser und Unzufriedenheit: Rio de Janeiro, ein Jahr vor den Olympischen Spielen.

# Favelas und Öffentliche Sicherheit

200 der mehr als 1000 Favelas von Rio de Janeiro sind von der Polizei besetzt. Die Macht der Drogengangs konnte der Staat auch durch ständige Polizeipräsenz nicht brechen, höchstens eindämmen – doch in manchen Favelas erobern die Gangs gerade ihre Gebiete zurück. Neue Konflikte zwischen Polizei und Gangs verwandeln Favelasiedlungen wie die Rocinha oder das Complexo do Alemão in Schauplätze alltäglicher Schießereien. Allein im Complexo wurden in diesem Jahr 35 Menschen bei Schießereien verletzt. Was nach Olympia mit der Befriedungsstrategie der UPP passiert? Ungewiss.

# Baustellen und Immobilienspekulation

Zahlreiche Baustellen sind noch zu bewältigen, die Kosten sind wie schon bei der Fußball-WM explodiert – das 2008 avisierte Budget war bereits im vergangenen Jahr um mehr als ein Viertel überschritten worden. Langfristig denken vor allem Immobilienmogule, die Olympialand in Zukunft in Luxuswohnprojekte verwandeln wollen.

# Kühlschränke und Kloake

Auf den Wettkampfstrecken müssen Segler Sperrmüll umschiffen, die ersten Atlethen kämpfen bereits mit Durchfall und Übelkeit: Rios Gewässer sind auch ein Jahr vor den Olympischen Spielen noch eine Kloake. Vor Olympia 2016 wollte die Regierung die Verschmutzung nachhaltig bekämpfen und die Wasserqualität um 80 Prozent verbessern, doch die Abwasser – auch aus Rio de Janeiros Favelas – fließen weiterhin ungehindert ins Meer. Als „schlimmste Wasserqualität, die wir in unserer Karriere jemals gesehen haben”, bezeichneten Segler den Zustand der Guanabarabucht von Rio de Janeiro.

 #  Unzufriedenheit und Wut

Die Unterstützung der Olymischen Spiele im Land ist noch geringer als bei der Fußball-WM: Denn die positiven Nachwirkungen der Fußball-WM halten viele Brasilianer für gering, oder ungerecht verteilt. Auch die politischen Lager sind nach den letzten Wahlen so gespalten wie nie zuvor, die politische Elite kämpft zudem mit einem Korruptionsskandal um Petrobras. Kleiner Trost für die Politik: Die Spiele finden nur in Rio statt, Hunderttausende im ganzen Land, die gegen die Sportereignisse protestieren wie vor der WM werden diesmal sicher nicht mehr mobilisiert.

Das Gesicht der Zukunft stirbt an einer Überdosis

Er war der Junge, der wie kein anderes Kind für die Veränderungen der Favelas stehen sollte – nun starb er an einer Überdosis und wurde zum tragischen Symbol des Auf-und Abstiegs der Favelas.

Der 15-jährige Christiano T. wurde vergangene Woche bewusstlos aufgefunden, und starb wenig später. Noch vor sieben Jahren wurde der Junge, damals acht Jahre alt, zum Star der Favela Manguinhos in Rio de Janeiro.

Umgeben von hochrangigen Politikern: Der junge Christiano T. im gerade gebauten Schwimmbad (Screenshot: extra)

Umgeben von hochrangigen Politikern: Der junge Christiano T. im gerade gebauten Schwimmbad (Screenshot: Extra)

In Badehose und Badekappe wurde er vom damaligen Präsidenten Lula vor einem Schwimmbad umarmt, umgeben von Politprominenz wie dem Gouverneur von Rio de Janeiro, Sergio Cabral, und Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff. Lula hatte zuvor ein Foto gesehen, auf dem sich der kleine Christiano in einem Wasserloch im lehmigen Boden seiner Favela suhlte.

Präsident Lula da Silva genoss damals große Anerkennung in den Armenvierteln – er zeigte sich gern volksnah und hatte Verständnis für die Sorgen der bedürftigen Bevölkerung. In der Favela Manguinhos ließ er ein Schwimmbad bauen, um die Favela aufzuwerten, die Armut zu reduzieren und dem kleinen Christiano und damit stellvertretend vielen anderen brasilianschen Kindern eine würdige Zukunft zu ermöglichen.

Werbegesicht für Veränderung

Christiano erschien auf dem Titelblatt aller Zeitungen, wurde zum Werbefoto für die PAC, die Infrastrukturprogramme der brasilianischen Regierung. Seine Mutter bekam einen Job, die Familie zog in eines der Häuser, die durch die Sozialprogramme gebaut wurden. Noch heute klebt ein überdimensionales Foto von ihm an der Wand der Krankenstation in der Favela Manguinhos in Rio. Christiano starb in der Einrichtung, in der er als Werbegesicht für die Zukunft diente. Continue reading