Brasilien steckt in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise. Das Land steht vor einem Sturz der Präsidentin. Und dennoch redet Ex-Präsident Luiz Inacio da Silva in Berlin die brasilianische Krise herunter und wirft der Opposition eine Kriminalisierung der Regierungspartei PT vor.
Brasiliens Inflationsrate ist auf einem Rekordhoch, Jobs gehen verloren, die Wachstumsprognosen sind negativ. Hat Brasilien nicht schon länger missgewirtschaftet, sich zu sehr auf den Binnenmarkt konzentriert und auf den Verkauf von Rohstoffen gesetzt? Also, sagt Lula da Silva, holt einen Zettel hervor und liest vor, mit welchen Produkten Brasilien Exportmeister ist: Zucker, Kaffee, Orangensaft, Fleisch. Kritik an der Krise lässt er abperlen oder anders, er erlaubt sich den einen oder anderen Scherz. Diese werden wohlwollend von den Besuchern aufgenommen.
Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva in Berlin (Foto: Julia Jaroschewski)
Luiz Inacio da Silva, Lula, sitzt in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin und soll über die Herausforderungen in der Entwicklung Brasiliens reden. Er hat ein leichtes Spiel. Die Gäste, viele Brasilianer, sind Anhänger des ehemaligen Präsidenten. Sie lachen, klatschen und unterstützen politische Kommentare, indem sie “Fora Cunha” in den Raum rufen. Dies geht in Richtung Eduardo Cunha, den Vorsitzenden des brasiliansichen Unterhauses und Initiator des Amtsenthebungsverfahren gegen die regierende Präsidentin Dilma Rousseff.
Anhänger der Präsidentin Dilma Rousseff in Berlin (Foto: Julia Jaroschewski)
Brasilien steckt in einer ernsthaften politischen Krise
Cunha hatte Anfang Dezember das sogenannte Impeachmentverfahren gegen die Präsidentin angestoßen, das dazu führen könnte, dass Rousseff ihr Amt als Regierunsgoberhaupt verliert. Dabei steht Cunha selbst vor dem politischen Fall, denn auch er hat seine Finger im Korruptionsskandal um den Energieriesen Petrobras im Spiel und muss sich wegen aufgedeckter Schwarzgeldkonten in der Schweiz rechtfertigen. Doch viele Brasilianer sagen, Cunha wolle, wenn er denn gehen muss, gleich die Präsidentin mitnehmen. Brasilien ist momentan großer Schauplatz politischer Intrigen und Machtspiele. Continue reading →
Rekordinflation, politischer Korruptionsskandal, Rezession, Proteste: Brasiliens Regierung steckt in der Krise und versucht mit drastischen Budgetkürzungen und Reformen Handlungswillen zu beweisen – auch die Sozialausgaben sind betroffen.
Ministerien sollen verkleinert oder abgeschafft werden, die Gehälter von Politikern werden gekürzt, zahlreiche Programme müssen mit weniger Budget auskommen oder werden ganz gestrichen. Kurzfristig soll Brasiliens massiver Bürokratie-Apparat von 39 Ministerien (Deutschland: 14) auf 29 Ministerien reduziert werden. Langfristiges Ziel: nur noch zehn Ministerien.
Kabinettsmitglieder und Beamte müssen Gehaltskürzungen von 10 Prozent hinnehmen, auch die Bezüge von Präsidentin Dilma Rousseff und dem Vize-Präsidenten werden reduziert. Mehrere Tausend Stellen werden gestrichen, Höchstausgaben für Telefonkosten und Reisekosten von Politikern und Beamten werden neu definiert, auch Leasing-Verträge überprüft.
Die angekündigten Reformen sollen beruhigende Signale an Investoren senden und den Haushalt sanieren. Tatsächlich hat Brasiliens Bürokratie seit Jahrzehnten einen drängenden Reformbedarf — doch der Maßnahmenkatalog ist kaum politisch durchsetzbar, zumal für eine Administration wie die Rousseff-Regierung, deren Beliebtheitswerte sich zur Zeit ohnehin im Sinkflug befinden.
Sparen im Gesundheits- und Bildungsbereich
Zudem betreffen die Kürzungen nicht nur die wuchernde Bürokratie und politische Privilegen, sondern auch Programme, die zentral für Brasiliens Entwicklung sind.
Soziale Programme sollten zwar von den Kürzungen verschont bleiben. Doch mindestens sieben Sozialprogramme sind nun von dem Sparkurs betroffen, darunter das Programm “Farmácia Popular do Brasil”, das ärmeren Bevölkerungsschichten den Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglichen soll. Ein Katalog von Medikamenten wird gegen Rezept zu 90 Prozent unter dem Marktpreis abgegeben.
Auch die Ausgaben für Água para Todos wurden verringert, eine Initiative, die besonders arme Brasilianer mit Trinkwasser vorsorgen soll, auch in ländlichen Gegenden ohne Zugang zu Öffentlichen Dienstleistungen. Stipendienprogramme im Bildungsbereich wurden ebenfalls zusammengestrichen, wie das Auslandsstipendienprogramm für Studenten (Ciência sem Fronteiras) und Fiel, ein Programm für die Ausbildung an privaten Institutionen.
Ein Sparkurs zu einem hohen Preis: Kurzfristig lassen sich die reduzierten Ausgaben vielleicht als Erfolg in der Bilanz verbuchen, doch die Kürzungen in wichtigen Bereichen wie Gesundheit und Bildung könnten Brasilien langfristig teuer zu stehen kommen.
Der brasilianische Sparkurs trifft auch die Sozialprogramme (Foto: BuzzingCities)
Fußball, Proteste, Schießereien, Wahlen: Beste, schönste und schwierigste Momente aus den Favelas von Rio de Janeiro im Jahr der Fußball-WM.
Der beste Moment
Fast hätten wir das WM-Finale verpasst. Rund um das Maracanã-Stadion war die ganze Stadt gesperrt und wir steckten stundenlang im Verkehr fest, und konnten das Jubeln und Gröhlen im Stadion nur im Radio verfolgen. Irgendwie haben wir es doch noch in die Favela Mangueira geschafft, und mit den Favelabewohnern gefeiert – mit Blick von oben auf das Maracanã-Stadion.
WM-Finale: Feiern mit den Bewohnern der Favela Mangueira (Fotos: BuzzingCities)
Der Tiefpunkt
Ein loses Rohr, zuviel zu Tragen, ein falscher Tritt, und schon kann alles vorbei sein. Julia ist in Brasilien gestürzt und musste sich dann erstmal zwei Monate im Rollstuhl fortbewegen. Trotzdem irgendwie positiv: Der Perspektivenwechsel, durch den wir verdammt viel lernen konnten – auch wie weit es noch bis zur Barrierefreiheit ist.
Most scary moment
Marode Stromleitungen als explosive Mischung: Auf einmal brannten die Stromknäuel auf der Straße, die zu unserer Wohnung hinaufführt, und brachen auf die Straße hinunter. Auch Mülltonnen schmolzen im Feuer – und niemand wusste, wie weit sich das Feuer über die Leitungen ausbreiten würde.
Kabelbrand in der Rocinha: 1001 Gründe für Feuer in Favelas (Foto: BuzzingCities)
Wenn es in der Favela brennt, muss die Feuerwehr sich aber erst durch den Stau auf der Hauptstraße schlängeln – immerhin wurde dann der Kabelsalat an der Brandstelle Stunden später von Elektrikern notdürftig zusammengeflickt. Verletzt wurde niemand, nur ein WM-Spiel verpassten die Bewohner von Laboriaux oben auf dem Berg bei dem Stromausfall.
Der stressigste Moment
Noch nie war eine Wahl selbst bis kurz vor Ende so knapp wie in diesem Herbst bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen. Erst stürzte der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat mit dem Flugzeug ab und kam ums Leben, die hochgejubelte Kandidatin Marina Silva, der einige Medien sogar Erfolgschancen auf das Amt vorausgesagt hatten, schied schon bei den Vorwahlen aus. Und das folgende überraschende Duell zwischen Dilma Rousseff und Aecio Neves spaltete das ganze Land, begleitet von Schlammschlachten und extremen Populismus und Gerüchten auf allen Seiten – und blieb bis zum Schluss nervenaufreibend unentschieden.
Persönlichkeit des Jahres
Das Jahr der Fußball-WM war auch ein erfolgreiches Jahr für Suélen – sie hat einen Jiu-Jitsu-Pokal nach dem anderen abgeräumt. Als die Befriedungspolizei UPP vor der Fußball-WM die Favelas besetzte, begann sie im Sportprogramm der Polizei zu trainieren, gerade sie, die aus einer Familie kommt, für die die Polizei früher der Feind war. Inzwischen trainiert sie selbst jüngere Kinder – und kann sich vorstellen, Profisportlerin zu werden. Rock on!
Soundtrack des Jahres
Mit seinem Knast-Tattoo, einer Träne am Auge, und Videoclips, in denen er Yachten, schnelle Autos und BlingBling feiert, ist MC Guimê nicht gerade das ideale Vorbild für die Favelajugend und umstrittener Protagonist des Funk Ostentação. Mit seinem sanften Hit “País do Futebol” (Land des Fußballs), in dem es auch um die Bedeutung von Fußball in der Favela geht, hat er aber 2014 einen inoffiziellen WM-Sound geliefert, der innerhalb von 24 Stunden mehr als eine Million Mal auf Youtube geklickt wurde und zu den zehn meistverkauften iTunes-Hits in Brasilien aufstieg.
Das beste Foto
Sie konnten es nicht lassen: In Brasilien haben Tausende Wähler beim diesjährigen Wahlmarathon ihre Entscheidung auch fotografisch dokumentiert: mit Selfies von der (in Brasilien elektronischen) Wahlurne. Das ist illegal – aber hat zu viel Wahlbegeisterung in den sozialen Netzwerken geführt und politische Debatten angeregt.
Selfie bei der Wahl – eigentlich verboten
Film des Jahres
Kirchliche Hetze gegen Homosexualität, brasilianisches Machotum: In Brasilien LGBT zu sein und sich dazu bekennen, kann schwierig, immer wieder auch lebensgefährlich sein – in Favelas wie an anderen Orten auch. Der Dokumentarfilm “Favela Gay” begleitet elf queere Favelabewohner. Den Filmemacher Rodrigo Felha haben wir kennengelernt – bei der Party auf einem Wagen der riesigen Gay-Parade des Complexo do Alemao.
Auf der LGBT-Parade im Complexo do Alemao (Foto: Buzzingcities)
Bestes Projekt
Die Bretter, die die Welt bedeuten: Skateboards, lange Accessoires der wohlhabenderen urbanen Elite, haben inzwischen auch die Favelas von Rio eingenommen. Schon die Kleinsten skaten mit waghalsigen Stunt alles, was am entferntesten an ein Skateboard erinnert. Im Complexo da Maré skaten Favelabewohner zusammen in der Gruppe „Maré Longboard“ und veranstalten Wettbewerbe in der Favela. Zusammen erobern sie auch die Stadt – und versuchen sich mit den Hipstern vom „Asfalto“ in den Skateparks von Rio an neuen Tricks. Oder skaten wie alle anderen Stadtbewohner sonntags an der Strandpromenade von Ipanema entlang.
Hilfeschrei aus der Favela: Kurz nach der WM explodierte die Gewalt im Complexo do Alemao erneut – Drogengangs und Polizei bekämpften sich wieder offensiv, zahlreiche Menschen starben im Kreuzfeuer. Mit einer Social Media-Kampagne haben die Bewohner des Complexo darauf aufmerksam gemacht, was passiert.
Beste Idee
Bücher sind in den Favelas von Rio seltener als Mobiltelefone. Inzwischen gibt es mit der neuen Bibliothek in der Rocinha endlich einen Raum für Bücher und ein bisschen Ruhe, um sie zu lesen – und ganz oben bei uns auf dem Berg steht seit neuestem eine Straßen-Bibliothek. Wir wollten schon länger eine Give-Box in der Favela einrichten, jetzt wurde zumindest eine Buch-Box in Laboriaux etabliert. Bücher bringen, leihen, tauschen, im Vorbeigehen.
Das Bildungsministerium hat angekündigt, die sozialen Netzwerke zu überwachen – um verbotene Selfies aufzuspüren. Denn an diesem Wochenende finden in Brasilien die entscheidenden Prüfungen statt, mit denen Schüler sich für ein Studium an einer Universität qualifizieren können – das sogenannte “Exame Nacional do Ensino Médio” (Enem).
Da die Brasilianer wichtige Lebensereignisse gern mit einem Selfie dokumentieren, ist zu erwarten, dass Tausende sich vor, während oder nach der Prüfung ablichten werden. Auch bei den Wahlen hatten Millionen von Brasilianern sich an der Urne abgelichtet und die Fotos in sozialen Netzwerken gepostet – obwohl das als Verbrechen gilt.
Bei den Prüfungen will das Bildungsministerium jetzt solche Regelverstöße verhindern: Smartphones und elektronische Geräte sind sowieso verboten – und alle, die ein Selfie oder irgendein anderes Fotos knipsen, sollen sofort von der Prüfung ausgeschlossen werden.
Brasilianer fieberten in den sozialen Netzwerken wie bei einem Feuerwerk mit, zählten die Minuten, dann Sekunden herunter, bis die geheim ausgezählten Ergebnisse veröffentlicht wurden. Und selbst dann war die Spannung nicht vorbei: Denn die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff lag vorn, aber nur knapp zwei Prozentpunkte – und fünf Prozent der Stimmen waren noch nicht ausgezählt.
Damit haben mehr als 54,2 Millionen Dilma Rousseff im Amt bestätigt, mehr als 50,9 Millionen haben Aécio Neves gewählt – bei insgesamt 143 Millionen wahlberechtigten (und wahlpflichtigen) Brasilianern. Für Dilma Rousseff ist es also kein überzeugender Sieg, sie hat keine absolute Mehrheit hinter sich – und muss mit einer starken politischen Opposition rechnen.
Manche Anhänger von Aécio Neves rufen in den sozialen Netzwerken und bei Protesten in Brasilien nach militärischer Intervention und glauben, dass Brasilien nun ein zweites Kuba werden wird, die Stimmung ist zum Teil aggressiv aufgeladen. Neves selbst hat das Wahlergebnis nicht öffentlich kommentiert.
Jetzt müssen den Wahlversprechen Taten folgen – auch Dilmas Anhänger fordern Wandel für das Land.
Wer wird Brasilien in Zukunft regieren? Alles ist möglich an diesem Wahlsonntag in Brasilien, an dem die entscheidende Stichwahl für das Präsidentenamt stattfinden wird: Die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff der Arbeiterpartei PT und der sozialdemokratische Herausforderer Aécio Neves (PSDB) liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Bei den Wahlen 2014 handelt es sich um eine der unerwartetsten und spannendsten Wahlen der brasilianischen Geschichte. Doch warum ist die Entscheidung selbst für Experten so unvorhersehbar?
Kopf-an-Kopf-Rennen: Aécio hat auf den letzten Metern nochmal aufgeholt
1. Die Wahl ist knapp, verdammt knapp.
Aécio Neves konnte in den letzten Tagen vor der Wahl nochmals zulegen – die beiden Kandidaten liegen nur wenige Prozentpunkte auseinander.
2. Das Marina-Phänomen: Medien und Marktforschungsunternehmen gestalten den Wahlkampf mit – und können weit danebenliegen.
Schon der erste Wahldurchgang Anfang Oktober war eine Überraschung. Niemand hätte geglaubt, dass Aécio Neves überhaupt den ersten Durchgang übersteht. In den Umfragen lag er weit abgeschlagen auf dem dritten Platz. Stattdessen hatte sich ein Frauen-Duell um die Macht im Land abgezeichnet: zwischen Dilma Rousseff und der ehemaligen Umweltministerin Marina Silva, der im Vorfeld große Chancen eingeräumt wurden. Silva selbst war erst durch einen Schicksalsschlag zur Kandidatin geworden – als Eduardo Campos, der eigentliche Kandidat der Sozialistischen Partei Brasiliens (PSB) bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.
Doch es war Marina Silva, die ehemalige Kautschukpflückerin, die zwar eine Geschichte, aber keine konsistenten politischen Ideen präsentieren konnte, die ausschied – Aécio Neves konnte unerwartet mit 34 Prozent der Stimmen punkten, während Rousseff etwa 41 Prozent auf sich vereinte. Marina Silva war auch ein mediengemachtes Phänomen: Vor allem von internationalen Medien wurde sie zur Hoffnung Brasiliens hochgeschrieben: obwohl es viel Kritik an Silva gab, die im Wahlkampf ihre ehemaligen politischen Meinungen aufgab, für viele zu wenig politische Erfahrung aufwies, von der man nicht wusste, für welche Politik sie eigentlich steht.
Viele werden an diesem Sonntag nicht ihren Wunschkandidaten, sondern das kleinere Übel wählen. Denn der Wunsch nach Wandel ist groß, doch es ist unklar, wer das Land tatsächlich positiv verändern kann. Die Beliebtheit von Dilma Rousseff in Brasilien ist durch die WM, aber auch durch die Wirtschaftsentwicklung, die Inflationsrate in den letzten Jahren gesunken – zudem ist von ihr, der amtierenden Präsidentin, der große Wandel eher nicht zu erwarten. Ihre Arbeiterpartei PT ist inzwischen zwölf lange Jahre an der Macht.
Selbst Brasiliens Arme, die eine wichtige Wählermasse darstellen, sind gespalten: Auch Favelabewohner wünschen sich Veränderung. Andererseits: Aécio Neves, Sohn einer Mehrgenerationen-Politikerfamilie und Playboy, verkörpert eher das Establishment und Unternehmerinteressen als die Verringerung sozialer Ungleichheit. Brasiliens ist sich uneins: Die Fronten ziehen sich quer durch Familien, auch quer durch die Favelas.
4. Jede Partei hat versucht, den Herausforderer als das größere Übel darzustellen – mit einer politischen Schlammschlacht. Selbst Nazi-Vergleiche fehlten nicht.
Beide Lager, inklusive der Medien, haben sich vor allem in den letzten Tagen eine Schlammschlacht geliefert. Das brasilianische Magazin “Veja” hatte am Freitag vor der letzten öffentlichen TV-Duell den Vorwurf lanciert, dass Dilma Rousseff über Korruption und Geldwäsche beim staatlichen Energiekonzern Petrobras Bescheid gewusst haben soll.
Aécio Neves wurde zuvor als Kokser dargestellt. Ex-Präsident Lula, der Dilma Rousseff unterstützt, verglich die politischen Angriffe von Aécio Neves und seiner Anhänger im Nordosten mit dem “intoleranten” Vorgehen der Nazis im Zweiten Weltkrieg – Aécio Neves erinnerte der Wahlkampf der Arbeiterpartei PT an die Propaganda von Joseph Goebbels im nationalsozialistischen Deutschland.
5. Brasilianer müssen wählen – doch Protestwähler und gekaufte Stimmen verzerren das Ergebnis.
In Brasilien ist Wählen Pflicht – und bei 143 Millionen stimmberechtigten Brasilianern wird es wieder eine Vielzahl ungültiger Stimmabgaben geben, sowie gekaufte Stimmen. Am Tag des ersten Wahldurchgangs Anfang Oktober hatten Helfer von Abgeordneten etwa im Bundesstaat Maranhão Beutelchen mit kleineren Summen verteilt, um Wähler kurz vor dem Gang zur Urne zu beeinflussen.
Stimmenkauf hat auch in den Favelas eine lange Tradition. Kriminelle Gruppen kontrollieren, wer in den bevölkerungsreichen Armenvierteln Wahlwerbung betreiben darf und die Stimmen erhält. So wurden auch mehrere Politiker im Vorfeld des ersten Wahldurchgangs daran gehindert in Favelas wie der Rocinha Wahlplakate aufzuhängen oder Wahlkampfveranstaltungen abzuhalten.
Brasilien hat gewählt, Berge von Flyern und Postern überschwemmen jetzt die Straßen. Mit dem Hashtag #EleiçõesLimpas, “Saubere Wahlen”, dokumentieren Brasilianer online den Dreck, den die Kandidaten und ihre Teams hinterlassen haben – auch in Rios Favelas.
Ganz sauber sind die Wahlen auch inhaltlich nicht verlaufen. Noch am Morgen der Wahl verteilten Helfer von Abgeordneten etwa im Bundesstaat Maranhão Beutelchen mit kleineren Summen, um Wähler kurz vor dem Gang zur Urne zu beeinflussen.
Stimmenkauf hat auch in den Favelas eine lange Tradition. Kriminelle Gruppen kontrollieren, wer in den bevölkerungsreichen Armenvierteln Wahlwerbung betreiben darf und die Stimmen erhält. So wurden auch diesmal mehrere Politiker im Vorfeld der Wahlen daran gehindert in Favelas wie der Rocinha Wahlplakate aufzuhängen oder Wahlkampfveranstaltungen abzuhalten.
Ernüchterung für Marina Silva
Präsidentin Dilma Roussef konnte im ersten Wahldurchgang etwa 41 Prozent der Stimmen holen. Überraschend tritt sie bei der Stichwahl am 26. Oktober aber nicht gegen die Herausfordererin Marina Silva an, der im Vorfeld große Chancen eingeräumt wurden, sondern gegen Aécio Neves. Der Ökonom, Senator, Ex-Gouverneur und Zögling einer Politikerfamilie lag in den Umfragen während des Wahlkampfes weit zurück, erreichte aber bei der Wahl 34 Prozent der Stimmen.
Marina Silva überzeugte zwar mit ihrer Vergangenheit, dem Aufstieg von der Kautschukpflückerin und dem Hausmädchen zur engagierten Umweltpolitikerin. Doch ihr fehlten eine starke Partei im Rücken und politische Inhalte – zahlreiche Standpunkte wechselte sie so radikal, das sie zuletzt wenig glaubwürdig erschien.
Neben Präsidentschaftswahl und Parlament wurden auch die Gouverneure der 27 Bundesstaaten und ein Drittel der Senatoren bestimmt. In Rio de Janeiro wird der amtierende Gouverneur Luiz Fernando Pezão (PMDB), der 40,57 Prozent der Stimmen erhielt, bei der Stichwahl Ende Oktober gegen Marcello Crivella (20,26 Prozent) antreten.
Aufgeplatzte Wände, von Kugeln durchschlagene Fensterscheiben, Favelabewohner, die Behälter voller Patronen präsentieren: Videos und Fotos aus den sozialen Netzwerken dokumentieren die heftigen Spuren der Schießereien, die heute in der Favela Rocinha stattgefunden haben.
Gegen 6.30 Uhr morgens begann die Auseinandersetzung zwischen Polizei und Mitgliedern der Drogengang – die Polizei war angerückt, da sie Hinweise erhalten hatten, dass sich in der Rua 2 in der Rocinha ein hochrangiges Mitglied der Gang aufhalten soll. Das Gefecht hinterließ durchsiebte Häuserwände. Ein grünes Haus wurde besonders schwer beschädigt – offensichtlich hatte sich hier der Gesuchte verschanzt. Über der Rocinha stieg auch eine schwarze Rauchwolke auf, weil ein Motorrad Feuer gefangen hatte. Verletzt wurde niemand.
Die Polizei konnte den gesuchten Gangster nicht festnehmen. Sie brach die Operation trotzdem ab, auch weil der Gouverneur von Rio de Janeiro, Luiz Fernando Pezão, mittags zu einem Termin in der Rocinha erwartet wurde. Die nächsten Schießereien werden in Kürze folgen – die Polizei hat angekündigt, die Suche nach dem untergetauchten Kriminellen noch in dieser Woche fortzusetzen.
Zerschossenes Fenster Screenshot: Video)
Durchsiebte Wände in der Rua 2 (Screenshot: Video)
Kurz vor den brasilianischen Präsidentschaftswahlen im Herbst ist einer der Kandidaten bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Der Privatjet, mit dem Eduardo Campos, der Präsidentschaftskandidat der Partido Socialista Brasileiro (PSB) unterwegs war, ist über einem Wohngebiet in Santos im Bundesstaat São Paulo abgestürzt.
Eduardo Campos, 49, wollte von Rio de Janeiro zu einer Wahlkampfveranstaltung reisen. Vermutlich geriet die Cessna 560XL in ein Unwetter. Sieben Menschen, zwei Piloten und alle fünf Passagiere, sollen Medienangaben zufolge bei dem Absturz gestorben sein.
Campos, der ehemalige Gouverneur von Pernambuco, war einer der beiden aussichtsreichsten Herausforderer der amtierenden brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff. Der Ex-Gouverneur von Pernambuco lag Umfragen zufolge mit Zustimmungswerten von etwa 8 Prozent als Präsidentschaftsanwärter auf Platz 3 – hinter Rousseff (36 Prozent) und Aécio Neves (2o Prozent).
Die prominente Politikerin Marina Silva, die Campos bei seiner Bewerbung als Präsidentschaftskandidat unterstützt, da ihre eigene Partei nicht zu den Wahlen zugelassen worden sind, sollte eigentlich mit an Bord sein. Doch eine Tag vor dem geplanten Abflug bestieg sie ein Flugzeug mit den Pressesprechern und befindet sich nun bereits in São Paulo.
Campos ist Vater von fünf Kindern. Erst am 10. August hatte er seinen 49. Geburtstag gefeiert.