UPP nimmt Favela-Nachhilfe

Rios Befriedungspolizei UPP steckt in der Krise. Täglich kommt es in den Favelas zu Konfrontationen zwischen Drogenbanden und Polizei – immer wieder sterben dabei Angehörige beider Seiten. Noch dramatischer sind die Opferzahlen auf Seiten der Unbeteiligten: Kinder, Passanten, Anwohner, getroffen durch Querschläger oder erschossen, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Das Ansehen der UPP sinkt immer tiefer, die Glaubwürdigkeit und der Respekt bei der Bevölkerung schwindet mit jedem neuen Toten, mit neuen Foltervorwürfen und dem brutalem Auftreten von Polizisten.

Polizei in der Rocinha (Credit: BuzzingCities)

Polizei in der Rocinha (Credit: BuzzingCities)

Das negative Image der Polizei und das schwierige Verhältnis von Militär und Anwohnern soll sich nun mit Schulungen über die Favelas ändern. UPP-Polizisten sollen mehr über die Favelas lernen – über die Geschichte der Entstehung, die Geographie, die kulturellen Eigenheiten, das, was jede Favela zu ihrem eigenen Mikrokosmos macht.

Mit dieser Maßnahme möchte Robson Rodrigues, Chef der Polizei in Rio, einen neuen Weg des Aufeinanderzugehens von Polizei und Anwohnern fördern. Denn die Integration der UPP in die Gemeinschaft hatte zuletzt fast gar nicht mehr funktioniert.  Continue reading

Tod durch Querschläger

Kaum ist das Jahr der WM in Brasilien vorbei, überschlagen sich die schlechten Nachrichten. In Rio de Janeiro sind schon im Januar dieses Jahres viele Menschen durch Querschläger ums Leben gekommen. Die Zahl der Toten allein in diesem Monat hat die Hälfte der Toten insgesamt von 2013 in Rio erreicht, gab das Institut für öffentliche Sicherheit heraus.

Bopes bei der Besetzung der Rocinha (Credits: BuzzingCities)

Bopes bei der Besetzung der Rocinha (Credits: BuzzingCities)

Die 21-jährige Adrienne N. starb in der Rocinha durch eine Kugel, als sie ihren einjährigen Sohn auf dem Arm trug. In Bangu im Norden Rios starb eine Vierjährige durch eine Kugel in den Kopf. Zwei Tage später wurde ein neun Jahre alter Junge beim Aussteigen aus einem Schwimmbecken in Guadalupe, ebenfalls im Norden Rios, getötet. Der 16-jährige Rafael S. erlitt einen Schulterschuss, während er einen Drachen steigen liess. Er liegt mit seinen Verletzungen noch im Krankenhaus in Penha.

Seit 2008 führt das Sekretariat für Sicherheit Statistiken über Tote und Verletze durch Querschläger. Bis 2013 zählte die Behörde 891 getroffene Personen, von denen 62 starben.

Bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Drogenbanden werden häufig Unbeteiligte getroffen. In den Gassen der Favelas ist das Risiko, von einer solchen Kugel getroffen zu werden, groß.

Favela Rocinha als App

Favela-News für unterwegs: Die Bewohner der Favela Rocinha können sich ab sofort mit einer App über das informieren, was in der Favela geschieht. Die App des Bürgermediums “Viva Rocinha” steht im Google Play Store zum Download bereit.

Das Nachrichtenportal “Viva Rocinha” wird von dem 21-jährigen Favelareporter Michel Silva betrieben, den wir für das E + Z Magazin über seine Arbeit als Bürgerreporter interviewt hatten.

News aus der Favela – Bürgerreporter Michel Silva (Foto: Michel Silva)

News aus der Favela – Bürgerreporter Michel Silva (Foto: Michel Silva)

 

Adventskalender aus der Favela

Wir wollen die Tradition des Adventskalenders auf eine etwas andere Art gestalten: Jeden Tag werden wir bis zum 24. Dezember ein neues Foto von unseren Erlebnissen, unserem Alltag oder der Arbeit in den Favelas von Rio in dieser Bildergalerie präsentieren.

In Deutschland beginnt der kalte Winter, in Rio geht es auf den Sommer zu – die Bilder laden dazu ein, das Leben auf der anderen Erdhalbkugel auch in der Weihnachtszeit zu erleben.

Leben in der Favela

 

Wir wollen über die Bedingungen und das Leben, die Erwartungen der Favelabewohner berichten, zeigen, was in den Armenvierteln passiert.

Deswegen sind wir ja hierher gezogen, weil es eben anders ist, einen oder zwei Tage oder zwei Wochen tagsüber hier vorbeizuschauen als tatsächlich die Nächte, den Alltag zu jeder Tageszeit und Witterung zu erfahren. Wir wohnen immer wieder in der Rocinha und viele fragen uns, wie wir eigentlich leben.

Wir wohnen mit den Einschränkungen, die andere Favelabewohner auch haben, dafür haben wir uns aber bewusst entschieden. Manche Bewohner leben mittlerweile hochwertiger, habe ihre Hütten ausgestattet mit TV und Küchenmaschinen, Waschmaschine und Herd, manche hausen in noch viel schlechteren Konditionen, in den Hütten aus Holz.

Wasser

Wenn das Wasser ausfällt, ist das ärgerlich, besonders wenn man einen Termin hat – keine Dusche, keine Toilette, nichts zum Abwaschen oder Kochen. Trinken kann man es eh nicht. Dieser ständige Regen draußen ist manchmal die einzige Alternative: mit Regenwasser im Waschbecken die Haare waschen. Danach ist man auch etwas geduscht, nur vollkommen unterkühlt – und drinnen ist es genauso feucht und kalt. Der Regen hat sich durch die Wände gefressen. An vielen Ecken bleibt auf dem Finger ein nasser Film, wenn man über die Mauer fährt. Die Kleidung ist klamm, die Decken zum Schlafen auch, nur die Handtücher können ein wenig hinter dem Kühlschrank an den Heizstäben trocknen. Continue reading

Bewohner der Rocinha erhalten Besitztitel für Häuser

Die Hütten in den Favelas werden meist auf fremden Grund gebaut, sind instabil und illegal. Nun erhalten einige Bewohner einen Besitztitel und damit eine Grundsicherheit.

Für die Alten der Rocinha ist das ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk: Etwa 1100 Bewohner der Favela Rocinha erhalten eine offizielle Eigentumsbestätigung für ihre Häuser. Für die erste Generation, die vor mehr als 70 Jahren nach Rio kam und die Favelas mitbaute, ist das ein erster Schritt aus der latenten Unsicherheit, täglich aus dem Haus geworfen zu werden. Denn die Armenviertel sind informelle Wohnsiedlungen, entstanden auf Grund, der nicht den Siedlern gehörte. In den 50er Jahren suchten sich die Armen freies Land, das sie über Jahrzehnte hinweg besiedelten, weiterentwickelten, Läden hochzogen, ein eigenes Viertel bauten.

Hausbau über Nacht (Credits: BuzzingCities)

Hausbau über Nacht (Credits: BuzzingCities)

Noch immer wachsen die Favelas, wie die Rocinha. An einem Hang gelegen ist dieser illegale Bau oftmals ein Risiko für die Bewohner. Bei starken Regenfällen rutschen immer wieder Hütten ab, reißen Menschen in den Tod. Rios Verwaltung hat in den vergangenen Jahren neue Regeln aufgestellt, die den Hüttenbau in einigen Teilen der Favelas regulieren soll. Und nicht selten wurden dabei Häuser von staatlich beauftragten Firmen abgerissen. Familien blieben dann ohne Unterkunft, mussten an anderer Stelle neu beginnen.

Nun werden seit Dienstag bis Mitte Donnerstag etwa 1100 Besitzscheine ausgestellt, die den Bewohnern zusprechen, tatsächlich legale Eigentümer ihrer selbst gebauten oder gekauften Ziegelhütten zu sein. Damit ergibt sich eine minimale Sicherheit, wie die 66-jährige Lúcia C. dem Nachrichtenportal O Globo sagte, jetzt könne sie endlich das Haus an ihren einzigen Sohn weitergeben.

Gesichter aus dem Complexo do Alemão

In den Favelas des Complexo do Alemão im Norden Rios finden fast täglich Schießereien statt. Die Bewohner versuchen trotz der Gewalt ihren Alltag zu meistern.

Im Einkaufszentrum über “El Pibe” stolpern

Das Markenzeichen funktioniert immer noch: die gelblichen Afro-Haare, eine Art Topfschnitt, der die Haare wie eine Perücke aussehen lässt, Schnauzer. Wir erkennen “El Pibe”, den kolumbianischen Ex-Weltklassekicker Carlos Alberto Valderrama Palacio sofort. Er schlendert mit seiner Familie durch das Einkaufszentrum, in dem wir versuchen, unsere SIM-Karte freischalten zu lassen.

“El Pibe” erlebte den von Pablo Escobar gesponsorten Aufstieg – und Fall – der kolumbianischen Nationalmannschaft, als Kapitän war er bei der WM 1990, 1994 und 1998 für Kolumbien am Start. Pelé wählte ihn 2004 als einzigen Kolumbianer in die Liste der Top-Fußballer “FIFA 100”.

 

 

Roadtrip zur WM

Ausflug nach Ipanema heute: Fernsehkameras, Moderatoren, Menschenauflauf. Nicht wegen eines berühmten Fußballstars, sondern weil ein vollgekritzelter, gelber, alter Schulbus in Ipanema am Straßenrand stand. So etwas wie den “World Cup Bus” hatten viele Brasilianer anscheinend noch nicht gesehen.

Favelawatchblog beim WorldCupBus

Favelawatchblog beim WorldCupBus

Zwei junge Männer, Tom Henriksen und Simon Hall, haben mit dem Bus einen Roadtrip von Vancouver, Kanada, bis nach Brasilien zurückgelegt – um pünktlich zur WM in Rio zu sein. Auf dem Weg haben sie verschiedene Reisende mitgenommen und den Trip mit Fotos und Videos dokumentiert.

Mit ihrem Bus haben sie vielen Gringos etwas voraus – eine Notfallunterkunft. Andere WM-Besucher, die ohne vorherige Zimmerreservierung nach Brasilien gereist sind, übernachten zum Teil am Strand, einige sind am Busbahnhof gestrandet.