Ende der UPP: Zahl der Toten bei Auseinandersetzungen so hoch wie nie

Der schleichende Rückzug der UPP aus den Favelas in Rio de Janeiro geht einher mit einer steigenden Anzahl von Toten. Bei Einsätzen der sogenannten Befriedungspolizei sind im Jahr 2018 so viele Menschen erschossen worden wie nie zuvor seit ihrer Einführung im Jahr 2008, und das, obwohl die Truppen der UPP insgesamt reduziert wurden.

Rio 2016 UPP Rocinha

Laut dem Institut für öffentliche Sicherheit ISP in Rio ist im Durchschnitt jeden zweiten Tag eine Person bei einer Operation erschossen worden, ein Teil davon deklariert als “Selbstverteidigung” der Sicherheitskräfte. Die Zeitung extra geht von einer hohen Dunkelziffer nicht erfasster Morde aus, weil Personen, die bei Schießereien mit der Polizei verletzt wurden, und im Nachhinein durch die Verletzungen gestorben sind, oftmals nicht mitgezählt wurden.

Außerdem ist die Zahl der Toten durch Sicherheitskräfte in den Regionen, aus denen die UPP abgezogen wurde, angestiegen. Continue reading

Favela Housing: “My Home in the Favela”

With her project “My Home in the Favela” Israeli architect Oshrit Reis documents homes in Favela Rocinha – among them the growing guest house of Camila and her family.

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Historic Rocinha Favela

Historic Rocinha Favela

Camila's Home | late 90

Camila’s Home | late 90

Camila's Home | kitchen | 2006-2015

Camila’s Home | kitchen | 2006-2015

Camila's Home | renovation of 2015

Camila’s Home | renovation of 2015

Camila's Home | Hostel kitchen and rooftop | 2017

Camila’s Home | Hostel kitchen and rooftop | 2017

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For more about favela architecture check the website of Oshrit Reis

Memória Rocinha: Das digitale Gedächtnis der Favela

Vergessene Geschichte: Das Multimedia-Projekt Memória Rocinha gibt online einen Einblick in die Historie der Favela Rocinha, die von einer Handvoll selbstgebauten Hütten zu einem eigenen Stadtteil gewachsen ist und mittlerweile einen ganzen Berghang bedeckt. Die Entwicklung der informellen Siedlung, die die Bürgerjournalisten und Historiker erforscht haben, reicht von 1860 bis heute. Die wichtigsten Meilensteine, Fotos sowie Video-Interviews mit Zeitzeugen, eine Karte, prägende Favela-Institutionen und Geschichten werden auf der Plattform Memória Rocinha präsentiert, an der auch unser Favelareporter Michel Silva mitgewirkt hat.

Michel Silva auf der Spur der Geschichte (Screenshot: Memória Rocinha)

Michel Silva auf der Spur der Geschichte (Screenshot: Memória Rocinha)

Schießereien in der Rocinha verunsichern Anwohner der Reichenviertel

Heftige Schießereien in der Favela Rocinha haben Studenten der naheliegenden Privat-Uni PUC erschrocken. Die Studenten wurden angewiesen, in der Universität zu bleiben. Die Schießereien waren in vielen Teilen der Favela zu hören.

Ein führendes Mitglied der lokalen Anwohnervereinigung des wohlhabenden Viertels Leblon meldete sich daraufhin in den Medien zu Wort: Es sei erschreckend, wieviele Schüsse sie in Leblon von ihrem Haus aus hören müsse.

Nur: Wieviele Schießereien hören die Bewohner der Rocinha immer wieder und müssen diese auch durchleben? Was für die Bewohner der Reichenviertel vielleicht eine Lärmbelästigung ist, bedeutet für die Favelabewohner lebensgefährlichen Alltag. In sozialen Netzwerken wie Facebook äußerten Bewohner der Favela Rocinha ihren Ärger.

WHO rät Besuchern von Kontakt zur armen Bevölkerung ab

Ein Jahr nach der Entdeckung des ersten Zika-Falles in Brasilien ist die Zahl der betroffenen Personen enorm angestiegen. Allein in Rio werden die Zahlen auf 156,7 Fälle pro 100.000 Menschen geschätzt. Von Januar bis April 2016 wurden 37.392 Verdachtsfälle in Rio gemeldet.

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Nach starkem Regen in der Rocinha sammelt sich Müll und Abwasser an, ein Hord von Bakterien, der auch Mücken anzieht

Grund genug für die Weltgesundheitsorganisation WHO vor dem Kontakt oder der Nähe ärmerer Wohngegenden und Bevölkerungsgruppen zu warnen. Im Rahmen der Olympischen und Paralympischen Spiele im August und September 2016 werden viele internationale Gäste in der Stadt sein: Sportler, Journalisten und Besucher.

Die Besucher sollten Favelas meiden, so die WHO. Denn in den Armenvierteln sei die hygienische Situation oft kritisch. Stehendes Abwasser Mücken zieht Mücken an, das Risiko an Zika zu erkranken ist besonders hoch. Continue reading

Schießerei: Gondelbahn im Alemão schließt eine Stunde lang

Seilbahn im Complexo do Alemão (Credits: BuzzingCities)

Seilbahn im Complexo do Alemão (Credits: BuzzingCities)

Die Gondelbahn, die über die Favelasiedlungen des Complexo do Alemão schwebt, ist ein Leuchtturmprojekt, das im Rahmen der Großevents entstanden ist: Seit 2011 soll sie den Favelabewohnern den Transport zwischen den riesigen Siedlungen des Alemão erleichtern, als Attraktion auch Touristen in die unattraktive Nordzone locken und durch Ausstellungen und Events in den Seilbahnstationen als Community-Plattform wirken.

Doch immer wieder wurde der Betrieb in den vergangenen Monaten aufgrund von Schießereien zeitweise eingestellt. Auch an diesem Samstagmorgen mussten die Seilbahnfahrten für eine Stunde unterbrochen werden — UPP-Polizisten wurden auf einer Routine-Patrouille von Drogengangstern angegriffen, eine Schießerei zwischen Sicherheitskräften und UPP-Polizisten hätte die Fahrt in ein Risiko verwandelt.

Polizei exekutiert fünf Jugendliche

Rios Polizei sollte zur Vorzeigetruppe werden, doch anstatt mehr Sicherheit zu schaffen, tötet sie Menschen aus den Favelas – viele von ihnen sind Jugendliche, meist junge, schwarze Männer.

Es ist eine Nachricht, die große Wellen schlägt in Rio: Vier Polizisten erschießen fünf Jugendliche in einem Auto – mit mehr als 100 Patronen. 81 Schüsse vom Gewehr, weitere 30 gehen von einer Pistole aus. Die Polizisten sagen später, sie hielten die jungen Männer für Drogengangster. Die Familien sagen, die Polizisten agierten willkürlich und ermordeten die Jugendlichen, weil sie aus der Favela kamen.

Die fünf getöteten Jugendlichen (Screenshot Facebook)

Die fünf getöteten Jugendlichen (Screenshot Facebook)

Es war ein lauer Abend in Costa Barros, einer Favela in der Nordzone Rios. Fünf Freunde zwischen 16 und 25 Jahren fuhren mit dem Kleinwagen in ein Shoppingcenter, trafen sich im Anschluss mit weiteren Kumpels in einem Park, um das erste Gehalt des 16-jährigen Roberto S. zu feiern. Er arbeitete seit kurzem in einem Supermarkt und wollte seine Freude mit den Freunden teilen. Auf dem Rückweg gegen 1 Uhr morgens wurden die Jugendlichen von Polizisten angehalten, die das Auto nach eigenen Angaben mit dem von Gangstern verwechselten. Anschließend kam es zur heftigen Schießerei, die mit dem Tod der fünf jungen Männer endete.

Als Grund gaben die Polizisten Selbtverteidigung an – sie behaupten, sie seien von den Jugendlichen angegriffen worden. Neben dem Auto hatte man Pistolen gefunden. Beobachter der Szene berichten jedoch, dass die Polizisten diese Pistolen neben dem Auto platziert haben, um ihre Tat zu vertuschen, denn die fünf jungen Männer trugen gar keine Waffen mit sich. Continue reading

5 Jahre Besetzung des Complexo do Alemão

Zum fünften Mal jährt sich der Tag der Besetzung im Complexo do Alemão und noch nie zuvor war die Beziehung von Polizei und Anwohnern so vergiftet wie jetzt.

3000 Soldaten in Panzern, zu Boden, in Hubschraubern, begleitet von den Scharfschützen der Elitetruppe Bope stürmten vor genau fünf Jahren die Favelas im Complexo do Alemão – es wurde ein Wendepunkt in der Geschichte der Favelasiedlung. Ein Wendepunkt, von dem die meisten mittlerweile wünschten, er wäre nie geschehen.

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Screenshot Facebook Aktivist Raull S.

Die Folgen der Besetzung der Favelas durch Militär und Polizei vor exakt fünf Jahren sind nicht wie erwartet positiv – im Gegenteil, Bewohner und Drogenbanden kämpfen für den Abzug der Truppen. Die Situation ist so zugespitzt, dass selbst die Mehrheit der stationierten Polizisten für einen Rückzug ist.

Proteste Complexo do Alemão (Credit: Julia Jaroschewski)

Proteste Complexo do Alemão (Credit: Julia Jaroschewski)

Die Besetzung machte Rene Silva bekannt – er und das Team der Voz da Comunidade waren die ersten, die live von der Besetzung berichteten. Groß war der Wunsch nach einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Tausenden Bewohner in Rios Nordzone: Man hoffte auf Jobs, steigende Gehälter, besssere Gesundheitsversorgung und vor allem mehr Sicherheit.

Doch die Phase der Hoffnung auf große Veränderungen in den Armenvierteln legte sich relativ schnell. Continue reading

Netzwerk Recherche Jahreskonferenz 2015: Sicherheit und Favelas

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Investigativjournalismus, sichere Kommunikation, Datenanalyse und internationale Zusammenarbeit: Auch bei der Jahreskonferenz 2015 des investigativen Journalistenvereins Netzwerk Recherche beim NDR in Hamburg waren wir wieder Teil des vielfältigen Programms.

In unserem Talk “Riskanter Job – Journalistinnen in Rios Favelas” haben wir über unserere Erfahungen als Favela-Reporterinnen berichtet, über die Öffentliche Sicherheit in Rio und die Polizeistrategie, unsere aktuellen Projekte und wie sich Risiken bei der journalistischen Arbeit in den Favelas zumindest vermindern lassen.

“Eine Bilanz nach der WM, vor Olympia: Wie hat sich die Sicherheitslage in Rios Favelas in den vergangenen Jahren verändert? Welche journalistischen Herausforderungen bringt die Arbeit in Favelas mit sich? Und welche Rolle spielt Social Media für die Sicherheit?”

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Teilweise wurden Sessions der Konferenz in Text und Videos festgehalten.

re:publica 2015: City of the Future

Die re:publica ist den letzten Jahren zu einer der größten Digitalkonferenzen Europas herangewachsen, auch der Anteil der außer-europäischen Speaker, Gäste und Themen ist gestiegen. Perspektiven auf Digitalisierung, Tech-Business, Überwachung, aber auch Aspekte wie Stadtentwicklung sind endlich globaler geworden als zu Beginn der deutschen Digitalisierung, in der die re:publica noch das Klassentreffen der deutschen Blogger und Tech-Experten war.

Bei der re:publica 2015 vom 5. bis zum 7. Mai in Berlin haben internationale Netzaktivisten aktuelle Trends diskutiert, Bloggerinnen aus verschiedenen afrikanischen Ländern von ihren Erfahrungen erzählt, im Maker-Space haben sich Bastler aus Lateinamerika und Afrika ausgetauscht und Experten wie der Architekt Alfredo Brillembourg haben etwa in ihren Talks vermittelt, wie informelle Siedlungen und Communities sinnvoller in architektonische Planungen miteinbezogen werden können.

Wir haben bei der Subkonferenz “City of the Future” über die Situation in Rios Favelas nach der WM und vor Olympia und die Digitalisierung der Favelas gesprochen – und wie Social Media Gewalt sichtbarer macht, aber auch mehr Sicherheit gewährleisten kann.

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Vortrag bei der rp15

Vortrag bei der rp15

Die Favela filmt zurück (Screenshot rp15-Talk)

Die Favela filmt zurück (Screenshot rp15-Talk)

Spannend waren auch einige auf der Subkonferenz diskutierte Parallelen zu deutschen Hochhaussiedlungen wie dem Ihme-Zentrum in Hannover, die wie die Favelas mit ihrem schlechten Ruf kämpfen und gleichzeitig Labore für urbanen Wandel sind – und auch die Diskussionen, wie sich Erkennnisse aus Rios Favelas etwa auf politische Partizipation in Deutschland übertragen lassen könnten.