Live aus der Favela: Best of 2014

Fußball, Proteste, Schießereien, Wahlen: Beste, schönste und schwierigste Momente aus den Favelas von Rio de Janeiro im Jahr der Fußball-WM.

Der beste Moment

Fast hätten wir das WM-Finale verpasst. Rund um das Maracanã-Stadion war die ganze Stadt gesperrt und wir steckten stundenlang im Verkehr fest, und konnten das Jubeln und Gröhlen im Stadion nur im Radio verfolgen. Irgendwie haben wir es doch noch in die Favela Mangueira geschafft, und mit den Favelabewohnern gefeiert – mit Blick von oben auf das Maracanã-Stadion.

(Fotos: BuzzingCities)

WM-Finale: Feiern mit den Bewohnern der Favela Mangueira (Fotos: BuzzingCities)

Der Tiefpunkt

Ein loses Rohr, zuviel zu Tragen, ein falscher Tritt, und schon kann alles vorbei sein. Julia ist in Brasilien gestürzt und musste sich dann erstmal zwei Monate im Rollstuhl fortbewegen. Trotzdem irgendwie positiv: Der Perspektivenwechsel, durch den wir verdammt viel lernen konnten – auch wie weit es noch bis zur Barrierefreiheit ist.

Most scary moment

Marode Stromleitungen als explosive Mischung: Auf einmal brannten die Stromknäuel auf der Straße, die zu unserer Wohnung hinaufführt, und brachen auf die Straße hinunter. Auch Mülltonnen schmolzen im Feuer – und niemand wusste, wie weit sich das Feuer über die Leitungen ausbreiten würde.

Kabelbrand in der Rocinha: 1001 Gründe für Feuer in Favelas (Foto: BuzzingCities)

Kabelbrand in der Rocinha: 1001 Gründe für Feuer in Favelas (Foto: BuzzingCities)

Wenn es in der Favela brennt, muss die Feuerwehr sich aber erst durch den Stau auf der Hauptstraße schlängeln – immerhin wurde dann der Kabelsalat an der Brandstelle Stunden später von Elektrikern notdürftig zusammengeflickt. Verletzt wurde niemand, nur ein WM-Spiel verpassten die Bewohner von Laboriaux oben auf dem Berg bei dem Stromausfall.

Der stressigste Moment

Noch nie war eine Wahl selbst bis kurz vor Ende so knapp wie in diesem Herbst bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen. Erst stürzte der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat mit dem Flugzeug ab und kam ums Leben, die hochgejubelte Kandidatin Marina Silva, der einige Medien sogar Erfolgschancen auf das Amt vorausgesagt hatten, schied schon bei den Vorwahlen aus. Und das folgende überraschende Duell zwischen Dilma Rousseff und Aecio Neves spaltete das ganze Land, begleitet von Schlammschlachten und extremen Populismus und Gerüchten auf allen Seiten – und blieb bis zum Schluss nervenaufreibend unentschieden.

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Persönlichkeit des Jahres

Das Jahr der Fußball-WM war auch ein erfolgreiches Jahr für Suélen – sie hat einen Jiu-Jitsu-Pokal nach dem anderen abgeräumt. Als die Befriedungspolizei UPP vor der Fußball-WM die Favelas besetzte, begann sie im Sportprogramm der Polizei zu trainieren, gerade sie, die aus einer Familie kommt, für die die Polizei früher der Feind war. Inzwischen trainiert sie selbst jüngere Kinder – und kann sich vorstellen, Profisportlerin zu werden. Rock on!

Soundtrack des Jahres

Mit seinem Knast-Tattoo, einer Träne am Auge, und Videoclips, in denen er Yachten, schnelle Autos und BlingBling feiert, ist MC Guimê nicht gerade das ideale Vorbild für die Favelajugend und umstrittener Protagonist des Funk Ostentação. Mit seinem sanften Hit “País do Futebol” (Land des Fußballs), in dem es auch um die Bedeutung von Fußball in der Favela geht, hat er aber 2014 einen inoffiziellen WM-Sound geliefert, der innerhalb von 24 Stunden mehr als eine Million Mal auf Youtube geklickt wurde und zu den zehn meistverkauften iTunes-Hits in Brasilien aufstieg.

Das beste Foto

Sie konnten es nicht lassen: In Brasilien haben Tausende Wähler beim diesjährigen Wahlmarathon ihre Entscheidung auch fotografisch dokumentiert: mit Selfies von der (in Brasilien elektronischen) Wahlurne. Das ist illegal – aber hat zu viel Wahlbegeisterung in den sozialen Netzwerken geführt und politische Debatten angeregt.

Selfie bei der Wahl - eigentlich verboten

Selfie bei der Wahl – eigentlich verboten

Film des Jahres

Kirchliche Hetze gegen Homosexualität, brasilianisches Machotum: In Brasilien LGBT zu sein und sich dazu bekennen, kann schwierig, immer wieder auch lebensgefährlich sein – in Favelas wie an anderen Orten auch. Der Dokumentarfilm “Favela Gay” begleitet elf queere Favelabewohner. Den Filmemacher Rodrigo Felha haben wir kennengelernt – bei der Party auf einem Wagen der riesigen Gay-Parade des Complexo do Alemao.

Auf der LGBT-Parade (Foto: Buzzingcities)

Auf der LGBT-Parade im Complexo do Alemao (Foto: Buzzingcities)

 

Bestes Projekt

Die Bretter, die die Welt bedeuten: Skateboards, lange Accessoires der wohlhabenderen urbanen Elite, haben inzwischen auch die Favelas von Rio eingenommen. Schon die Kleinsten skaten mit waghalsigen Stunt alles, was am entferntesten an ein Skateboard erinnert. Im Complexo da Maré skaten Favelabewohner zusammen in der Gruppe „Maré Longboard“ und veranstalten Wettbewerbe in der Favela. Zusammen erobern sie auch die Stadt – und versuchen sich mit den Hipstern vom „Asfalto“ in den Skateparks von Rio an neuen Tricks. Oder skaten wie alle anderen Stadtbewohner sonntags an der Strandpromenade von Ipanema entlang.

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Das schlafloseste Wochenende

Keine Zeit, den Jetlag wegzuschlafen: Rio, Brasilia, Paris, Berlin, mit dem Zug nach Hamburg und kaum aus dem Zug gestiegen, begann der Dreh mit dem ARD-Nachtmagazin. Dann ein Wochenende voller Talks und Diskussionen bei der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche – wir haben über die Digitalisierung der Favelas gesprochen und wie Gangs und Kartelle soziale Netzwerke nutzen. Zurück nach Rio, zur Fußball-WM.

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Social Media-Kampagne des Jahres

Hilfeschrei aus der Favela: Kurz nach der WM explodierte die Gewalt im Complexo do Alemao erneut – Drogengangs und Polizei bekämpften sich wieder offensiv, zahlreiche Menschen starben im Kreuzfeuer. Mit einer Social Media-Kampagne haben die Bewohner des Complexo darauf aufmerksam gemacht, was passiert.

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Beste Idee

Bücher sind in den Favelas von Rio seltener als Mobiltelefone. Inzwischen gibt es mit der neuen Bibliothek in der Rocinha endlich einen Raum für Bücher und ein bisschen Ruhe, um sie zu lesen – und ganz oben bei uns auf dem Berg steht seit neuestem eine Straßen-Bibliothek. Wir wollten schon länger eine Give-Box in der Favela einrichten, jetzt wurde zumindest eine Buch-Box in Laboriaux etabliert. Bücher bringen, leihen, tauschen, im Vorbeigehen.

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#Favelawatchblog: WM-Soundtrack 2014

Abseits des offiziellen WM-Soundtracks sind rund um die WM, auch in den Favelas, zahlreiche Tracks entstanden – die die Großereignisse in Musikform kritisieren, die Entwicklungen vor der WM besingen, oder mit denen man sich ein bisschen auf die WM eingrooven kann.

Im Land des Fußballs (Foto: BuzzingCities/Jaroschewski)

Im Land des Fußballs (Foto: BuzzingCities/Jaroschewski)

 

MC Guime – País do Futebol Part. Emicida

“Soviel Krieg für nichts…”

Die Gruppe Ponto de Equilibrio besingt mit dem Song “O que eu vejo” die Besetzung der Favelasiedlungen des Complexo do Alemão und den Krieg zwischen Gangs und Polizei, den die Favelabewohner seit Monaten erleben. In den Tagen vor der WM kommt es fast täglich zu Schießereien.

 

Lockere Elecro-Fusion-Beats zur WM: “Rebola na Roda” von DJ MAM, Gustavo Acioli e Alex Moreira

DJ Maam

 

“Deutscher Fußball ist geil”

Unser Kumpel MC Gringo hat pünktlich zur WM natürlich auch einen neuen Song rausgehauen, der auf Amazon käuflich ist (wir bekommen keine Prozente 😉

MC Gringo

MC Gringo

 

Eddu Grau: “A grande mentira”

Sorry, Neymar: Der inoffizielle WM-Song

Katerstimmung vor der Fußball-WM in Brasilien: Der Frust vieler Brasilianer ist groß, Datafolha zufolge lehnen 80 Prozent der Befragten die Fußball-WM in Brasilien gerade ab – vor allem, weil Milliarden in Stadien und andere WM-Vorbereitungen fließen, während das Geld im Bildungs- und Gesundheitssektor, bei der Sanierung der Favelas oder im öffentlichen Transport fehlt.

Der Musiker Edu Krieger hat dieses Gefühl nun in seinem Song “Desculpe Neymar” (Tut mir leid, Neymar) beschrieben, der jetzt schon ein inoffizieller WM-Titelsong ist und sich über soziale Netzwerke rasant verbreitet. Am Anfang des Tracks wird eine Begrüßung des brasilianischen Superkickers Neymar eingespielt, der die Welt in Brasilien zur WM willkommen heißt  – Edu Krieger besingt danach die Gründe, warum er diesmal nicht für Neymar (und die WM) applaudieren wird.

That would also be the conclusion drawn from a song released by respected Rio musician Edu Krieger, which has become an internet success. In Desculpe Neymar (sorry Neymar), Krieger expresses that on this occasion he will not be cheering on Brazil’s poster boy and his team-mates. “We can’t be real champions,” he sings, “spending more than 10 billion…we have beautiful and monumental stadiums while schools and hospitals are on the verge of collapse.”

Accompanied just by his guitar, the song is rooted in sorrow rather than anger. “I’ve always been a fan of the national team,” he explained in an interview, “but I don’t feel comfortable supporting the side this time.

“I think the way we’ve organised the World Cup could not have been worse, especially bearing in mind what was promised and what has in fact been done. This song is a lament that I don’t feel the enthusiasm I’d like to have in relation to the event.”
Read more at http://www.worldsoccer.com/world-cup-3/brazil-world-cup-discontent#lsDgPqRs0pt0MwcT.99

That would also be the conclusion drawn from a song released by respected Rio musician Edu Krieger, which has become an internet success. In Desculpe Neymar (sorry Neymar), Krieger expresses that on this occasion he will not be cheering on Brazil’s poster boy and his team-mates. “We can’t be real champions,” he sings, “spending more than 10 billion…we have beautiful and monumental stadiums while schools and hospitals are on the verge of collapse.”

Accompanied just by his guitar, the song is rooted in sorrow rather than anger. “I’ve always been a fan of the national team,” he explained in an interview, “but I don’t feel comfortable supporting the side this time.

“I think the way we’ve organised the World Cup could not have been worse, especially bearing in mind what was promised and what has in fact been done. This song is a lament that I don’t feel the enthusiasm I’d like to have in relation to the event.”
Read more at http://www.worldsoccer.com/world-cup-3/brazil-world-cup-discontent#lsDgPqRs0pt0MwcT.99

Fußballjubel trotz Schießereien

In der Fußballnation Brasilien sind die Favelados besonders verrückt nach dem runden Leder – in der Favela Rocinha konnten am Mittwoch selbst Schießereien der Leidenschaft der Fans nichts anhaben.

Fußball ist Religion in Brasilien. Jetzt trägt selbst der Christus, das Wahrzeichen der Stadt, ein schwarz-rotes Trikot – zumindest auf Fotos, die seit Mittwoch massenweise in den sozialen Netzwerken zirkulieren. Es sind die Farben des populären Fußballclubs Flamengo, der jetzt noch beliebter ist: Am Mittwoch hat Flamengo sich bei der “Copa do Brasil 2013” den Titel des brasilianischen Meisters geholt.

Cristo - Fußball ist Gott und Jesus trägt ein Flamengo-Trikot (Screenshot Facebook)

Cristo – Fußball ist Gott und Jesus trägt ein Flamengo-Trikot (Screenshot Facebook)

In der Favela sind 99,9 % der Bewohner Flamengo-Fans und die ganze Favela fieberte vor dem Fernseher mit – entweder zuhause, oder in einer der unzähligen Mini-Bars in den Gassen und Straßen der Favela, in die, egal wie klein sie sind, immer noch ein Fernseher passt (die Flachbildschirmfernseher sind oft das modernste in den Bars). Schon Nachmittags wurden die ersten Raketen abgeschossen, um auf das Spiel einzustimmen, nach dem Anpfiff knallte es ständig.

An Tagen wie diesen gehören die Raketen zum Grundrauschen des Soundteppichs in der Favela, man gewöhnt sich daran, blendet es aus. Bis das Knallen Mittwochnacht auf einmal keine Raketen mehr waren, sondern Maschinengewehre. Mitten während des Fußballspiels lieferten sich Mitglieder der Drogengang, die gerade um die Macht in der Rocinha kämpfen, einen Schusswechsel.

Die Bewohner, die sich in den offenen Bars am Straßenrand das Spiel ansahen, brachen in Panik aus. Nach etwa einer halben Stunde, in der sich die Gassen rasant geleert hatten, wurde es wieder ruhig. Da das Spiel weiterlief, zog ihre Leidenschaft die Fußball-Fans trotz Angst schnell wieder auf die Straßen zurück. Mit Tröten und Geschrei verfolgten sie das Spiel zwischen Flamengo und Atlético-PR, Jubel und Buhrufe liefen wellenförmig über den ganzen Hügel der Favela hinweg. Für blinde Fußball-Kommentatoren wäre die Favela ein idealer Seismograph gewesen: Man konnte den Spielverlauf erahnen, ohne hinzusehen.

Als Flamengo das 2:0 schoss, rastete der ganze Hügel aus, nach dem Abpfiff schien die Favela vor lauter Raketen zu explodieren, Leuchten überall. Wir haben leider nur einen kleinen Ausschnitt aufgenommen, der nicht besonders spektakulär ist:

Gleichzeitig wurden Facebook und Twitter mit einer Lawine von Fanliebe überschwemmt – Herzchen, Fotos von Fans in Trikots, Banner mit Sprüchen, Videos, der Christus im Trikot.

Am nächsten Morgen liefen Dutzende Männer und Frauen in ihren schwarz-roten Fanshirts durch die Favela, manche sogar mit den albernen Hüten, die man normalerweise nur im Stadion trägt. Ein brasilianischer Freund von uns, der als Touristenführer arbeitet, zieht sich immer ein Flamengo-Fußballshirt an, wenn er in die Favela geht, um dort Touren zu machen – er glaubt, dass dann weniger auffällt, dass er nicht aus der Favela kommt. Am Tag nach dem Spiel hätte seine Strategie tatsächlich einmal aufgehen können.

RoboCop-Pistole und ein Flugzeug voller Kokain

Wir sind ja einiges von den mexikanischen Kartellen gewöhnt. Aber manchmal warten auch die brasilianischen Drogengangs mit interessanter Ausstattung auf. In der Favela Morro do Dendê  in Rio haben BOPE-Spezialeinheiten jetzt eine Pistole konfisziert, die aussieht wie die Waffe, mit der RoboCop im gleichnamigen Film herumballert.

Es handelt sich um eine halbautomatische Desert Eagle .44 Magnum – eine relativ teure, für Rio de Janeiro ungewöhnliche, sehr wuchtige, schwere Waffe mit hoher Feuerkraft, für die auch die Munition hier nicht leicht zu besorgen ist. Aufgrund ihrer eindrucksvollen Größe wird die Waffe gern bei Filmproduktionen eingesetzt: Neben RoboCop nutzten auch Angelina Jolie (“Lara Croft”) oder Arnold Schwarzenegger die Desert Eagle.

Morro do Dendê: Waffen wie Robocop (Foto: BuzzingCities)

Morro do Dendê: Waffen wie RoboCop (Foto: BuzzingCities)

Neben der Desert Eagle beschlagnahmten die BOPE in der Favela Morro do Dendê weitere Waffen und Munition, schusssichere Westen und Munition für eine Waffe, mit der sich Helikopter abschießen lassen. Der Polizei zufolge sei die Feuerkraft der Drogendealer vom Morro do Dendê “besorgniserregend”.

In der Favela auf der Ilha do Gobernador in Rio herrschen die Drogendealer des Terceiro Comando Puro. Die Favela wurde auch durch den Song “Morro do Dendê – Rap das Armas” bekannt – der später zum Soundtrack des Favela-Film “Tropa da Elite” über die BOPE zählt. Selbst Gringos, die sonst nicht viel über Favelas wissen, können meistens das Lied mitsummen, zumindest den Refrain (“Parapapapapapapapapa”). In dem Track wird der Sound der Maschinengewehre besungen, die schwere Bewaffnung der Drogendealer, die “bis hin zu den BOPE jeden vor Angst zittern lassen”, der sich in die Favela wage.

Parapapapapapapapapa
Paparapaparapapara clack bum
Parapapapapapapapapa

Morro do Dendê é ruim de invadir
Nois, com os alemão, vamo se diverti
Porque no Dendê eu vo dizer como é que é
Aqui não tem mole nem pra DRE
Pra subir aqui no morro até a BOPE treme
Não tem mole pro exército civil nem pra PM
Eu dou o maior conceito para os amigos meus
Mas morro do Dendê também é terra de Deus

Vem um de AR15 e outro de 12 na mão
Vem mais um de pistola e outro com 2oitão
Um vai de URU na frente escotando o camburão
Tem mais dois na retaguarda mas tão de Glock na mão
Amigos que eu não esqueço nem deixo pra depois
Dando tiro pro alto só pra fazer teste
De ina-ingratek, pisto-uzi ou de winchester
É que eles são bandido ruim e ninguém trabalha
De AK47 e na outra mão a metralha
Esse rap é maneiro eu digo pra vocês
Quem é aqueles cara de M16
A vizinhaça dessa massa já diz que não agüenta
Nas entradas da favela já tem ponto 50
E se tu toma um pá, será que você grita
Seja de ponto 30
Mas se for Alemão eu não deixo pra amanhã
Acabo com o safado dou-lhe um tiro de pazã
Porque esses Alemão são tudo safado
Vem de garrucha velha dá dois tiro e sai voado
E se não for de revolver eu quebro na porrada
E finalizo o rap detonando de granada

(…)

Da die Favela in der Nähe des Flughafens von Rio liegt, ist sie sicherheitsstrategisch hochrelevant, weil dort Millionen von nationalen und ausländischen Touristen ankommen werden, gerade zu den Großereignissen WM 2014 und Olympia 2016. Neben dem Complexo da Maré, dessen Favelasiedlungen ebenfalls entlang der Schnellstraße vom Flughafen in die Stadt liegen, ist der Morro do Dendê entsprechend ein heißer Kandidat für Favelas, die noch schnell vor den Mega-Events “pazifiziert”, also vom Staat besetzt werden könnten, um sie – beziehungsweise die Orte außen herum – sicherer zu machen.

450 Kilo Koks in Helikopter von Senator-Söhnen

Drogenhandel gibt es aber natürlich nicht nur in den Armenvierteln der Stadt – am Sonntag wurden etwa 400 Kilometer von Rio entfernt 450 Kilo Kokain beschlagnahmt, in einem Hubschrauber, der einem Unternehmen der Söhne des Senators Zezé Perrella gehört. Vier Personen wurden verhaftet. Dem Nachrichtenportal G1 zufolge ließ der Rechtsanwalt der Familie verlautbaren, dass der Pilot das Flugzeug wohl für den Drogentransport missbraucht hätte. Ja. Klar.

Passinho: Der neue Tanztrend der Favelas

Die Zuschauer bilden einen Kreis, der immer enger wird, in der Mitte wirbelt ein junger Mann herum, bewegt seine Füße so schnell, dass man ihnen kaum folgen kann, springt in den Spagat, dreht sich auf dem Handteller. Nach ein paar Minuten zieht er sich zurück, stellt sich zu den anderen – und ein anderer Tänzer betritt die Arena.

Passinho – portugiesisch für “Kleiner Schritt” – wird der neue Tanztrend genannt, der aus den Favelas von Rio de Janeiro kommt und bei dem meist junge Männer mit Base-Caps und HipHop-Shirts ihre ganz eigenen Performances entwickeln. Frauen trauen sich seltener aufs Parkett, sie wiegen eher schick zurechtgemacht am Rand des “Baile do Passinho” ihre Hüften.

Tanz um Aufmerksamkeit (Foto: BuzzingCities)

Tanz um Aufmerksamkeit: Jeder erfindet seinen eigenen Stil (Foto: BuzzingCities)

Die eigenwillige Mischung aus Breakdance, Samba-Elementen und Freestyle-Moves soll in der Favela Jacarezinho entstanden sein – auch über Youtube und Social Media-Plattformen hat sich der Tanztrend in ganz Rio verbreitet. Inzwischen veranstalten selbst große Firmen die sogenannten “Bailes do Passinho” – Tanzwettbewerbe in Favelas, bei denen die Tänzer spielerisch gegeneinander antreten.

Gruß (Foto: BuzzingCities)

HipHop-Outfit und Attitüde gehören zum Auftritt dazu (Foto: BuzzingCities)

Am Samstag fand der Baile do Passinho da Rocinha, also in unserer Favela, statt (siehe Video oben). Spannend war die Vielfalt der Stile, und wie spontan sich Kreise bildeten und wieder auflösten – die Bühne war immer dort, wo die besten Tänzer waren.

Passinho (Foto: BuzzingCities)

Die jüngsten Tänzer sind kaum älter als zehn Jahre alt (Foto: BuzzingCities)

Rocinha is a rainforest today

Der Nebel hat das Meer verschluckt, die Ränder der Rocinha weichgezeichnet, der Wald ist satt und dunkelgrün und Regen legt sich über den Geräuschteppich, der sonst so typisch Favela ist. Bei einem Blick aus dem Fenster fühlen wir uns, als säßen wir mitten im Regenwald. Vögel zwitschern, alles ist sanft und die Lehrerproteste, die in einer Straßenschlacht zwischen Polizei und Randalierern endeten und die Innenstadt verwüsteten, sind hier weit, weit weg. Von wegen Kampfzone Favela.

Rechtzeitig, bevor der Regen kam, haben unsere Nachbarn innerhalb von wenigen Stunden direkt vor unserem Fenster ein Haus aufgebaut – man konnte der Favela beim Wachsen zusehen. Gestern Abend stand dort noch eine Ruine, gerade mal der Grundriss, Balken, ein paar übriggebliebene Ziegelsteine, überwuchert von Pflanzen, Müll, am Nachmittag lagen dort noch die Kampfhunde unseres Nachbarn auf einer dreckigen Matratze herum, zwei gemütliche Riesen.

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Dann rückten Familie und Freunde an, hämmerten die ganze Nacht, Kinder schleppten Ziegel heran und Bauschutt weg, pfiffen dabei brasilianische Lieder, und heute morgen ist die Favela wieder ein Stück weiter in den Regenwald gewachsen. Sogar die Satellitenschüssel ist schon auf dem Wellblechdach installiert. Nur einer hämmert noch ein bisschen herum, die anderen sind wohl schlafen – oder zu ihren regulären Jobs arbeiten – gegangen.

#Favela Soundtrack: Criolo – “Knoten im Ohr” (Nó na Orelha)

Er besingt soziale Kälte, die Herausforderungen des Favelalebens, Amor e Vida: Criolo aus São Paulo hat sich mit seiner Musik nach oben gekämpft – und präsentiert sein facettenreiches Werk heute auf internationalen Bühnen.

Wie Hunderttausende Brasilianer hatten auch Kleber Gomes`Eltern auf ein besseres Leben gehofft, als sie aus dem Nordosten nach São Paulo zogen – doch es reichte nur für ein Häuschen in einer Favela der Millionenmetropole. Für Kleber Gomes alias “Criolo” wurde die Peripherie zur Inspiration: Mit elf Jahren entdeckte er den Rap als Ventil, als Medium, um den täglichen Überlebenskampf und die soziale Kluft zu thematisieren.

Mal wütend, mal poetisch skizziert er seitdem das Favelaleben in seinen anspruchsvollen Songtexten, den Alltag derjenigen, die an die Ränder der brasilianischen Gesellschaft gedrängt werden, und das Panorama sozialer Unterschiede – und ist mit seinem vielfältigen Repertoire zu einer Stimme der Favelas geworden, die inzwischen auf der ganzen Welt gehört wird. Seit er 2011 in Brasilien sein Album “Nó na Orelha” veröffentlichte, zählt der 38-Jährige zu den spannendsten brasilianischen Musiktalenten und war mehrfach international auf Tour. Continue reading