Vila Autódromo ist ein Symbol für den Widerstand: eine kleine Favela am Rand des Geländes, auf dem der Parque Olimpico errichtet wurde — Hauptaustragungsort der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Nun sieht es so aus, als ob die Favela doch noch kurz vor den Spielen endgültig zerstört wird. Immer wieder wurden in den vergangenen Monaten Häuser von der Polizei geräumt. Nach einem Wasserrohrbruch im Olympischen Park wurde nun das Bürgerversammlungszentrum von Vila Autódromo geflutet und am Mittwoch von der Stadtverwaltung beschlagnahmt, um es abzureissen.
So könnte die kleine Favela im Jahr der Olympischen Spiele doch noch das Schicksal anderer Favelas ereilen, die den Megaevents weichen mussten: Im Kontext der Großereignisse WM 2014 und Olympische Spiele 2016 hat allein die Stadtverwaltung von Rio de Janeiro nach eigenen Angaben bisher mehr als 21.000 Familien aus Favelas umgesiedelt. Vila Autódromo galt lange als Vorzeigeprojekt, als Hoffnung darauf, dass sich Infrastrukturprojekte und Favelas vereinen lassen.
Ideen für die Zukunft
Als die ersten Räumungen 2013 begannen, hatten die Bewohner von Vila Autódromo sich widersetzt und zusammen mit Unterstützern, Stadtplanern und Architekten einen alternativen Plan entwickelt und mit der Stadtverwaltung verhandelt. Diese Initiative, der “Plano Popular Vila Autódromo”, wurde 2014 auch beim Deutsche Bank Urban Age Award als innovatives Beispiel für partizipative Stadtentwicklung mit 80.000 US-Dollar ausgezeichnet – von dem Preisgeld wollten die Bewohner einen Kindergarten bauen. Rios Bürgermeister Eduardo Paes hatte der Community zugesichert, dass niemand gezwungen wird, die Favela zu verlassen.
Nun sind von den Bewohnern von Vila Autódromo allerdings nur noch etwa 50 Familien übriggeblieben, die in ihren Häusern ausharren. Von den ursprünglich etwa 700 Familien hatten sich die meisten in den vergangenen Jahren doch darauf eingelassen, in Sozialwohnungen umzuziehen oder gegen eine Entschädigung umzusiedeln — zum Teil auch aus Angst, dass sich die Situation noch weiter verschlimmert.
“Wir leben eine Kriegssituation”, sagte eine Bewohnerin zum Onlineportal “A nova Democracia”. Auf die Bewohner werde ständig Druck ausgeübt umzuziehen, auch mit Einsätzen der Spezialkräfte. “Es gibt keine technische oder wirtschaftliche Begründung, die soviele Vertreibungen begründen kann. Sie haben die Zufahrtsstraße einfach genau dort geplant, wo die Menschen leben, um den Weg für Immobilienspekulation zu öffnen”, sagte Carlos Vainer, Professor am Institut für Stadtplanung und -forschung der Universidade Federal do Rio de Janeiro, dem Medienportal O Globo. Die Zerstörung des Versammlungszentrums, in dem die Bewohner auch zusammenkamen, um Zukunftspläne für Vila Autódromo zu schmieden, soll die Räumung der Favela wohl weiter zementieren.