Zum fünften Mal jährt sich der Tag der Besetzung im Complexo do Alemão und noch nie zuvor war die Beziehung von Polizei und Anwohnern so vergiftet wie jetzt.
3000 Soldaten in Panzern, zu Boden, in Hubschraubern, begleitet von den Scharfschützen der Elitetruppe Bope stürmten vor genau fünf Jahren die Favelas im Complexo do Alemão – es wurde ein Wendepunkt in der Geschichte der Favelasiedlung. Ein Wendepunkt, von dem die meisten mittlerweile wünschten, er wäre nie geschehen.

Screenshot Facebook Aktivist Raull S.
Die Folgen der Besetzung der Favelas durch Militär und Polizei vor exakt fünf Jahren sind nicht wie erwartet positiv – im Gegenteil, Bewohner und Drogenbanden kämpfen für den Abzug der Truppen. Die Situation ist so zugespitzt, dass selbst die Mehrheit der stationierten Polizisten für einen Rückzug ist.

Proteste Complexo do Alemão (Credit: Julia Jaroschewski)
Die Besetzung machte Rene Silva bekannt – er und das Team der Voz da Comunidade waren die ersten, die live von der Besetzung berichteten. Groß war der Wunsch nach einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Tausenden Bewohner in Rios Nordzone: Man hoffte auf Jobs, steigende Gehälter, besssere Gesundheitsversorgung und vor allem mehr Sicherheit.
Doch die Phase der Hoffnung auf große Veränderungen in den Armenvierteln legte sich relativ schnell. Es wurde die Seilbahn gebaut, Bibliotheken geschaffen und viele Sozialprojekte nahmen ihren Anlauf. Das Complexo do Alemão wurde Drehort für eine der wichtigsten Fernseh-Novelas. Touristen besuchten die Seilbahn. Doch die Ansätze reichten nicht aus. Richtig angekommen sind die Polizisten als Vertreter des Staates im Complexo do Alemão nie.
Im Gegenteil: Momentan sind die UPP und ihre Soldaten Objekte des Hasses und der Wut enttäuschter Bewohner, die in den Polizisten verstärkt potentielle Unterdrücker sehen, die mit ihren Waffen durch die Favelas stapfen und aufgrund mangelnder Erfahrung gravierende Fehler begehen, schlimmstenfalls bei Schießereien Unschuldige treffen.
Die Bewohner beklagen zunehmend die aufflammende Gewalt beider Seiten, denn die Drogenbanden sind längst zurückgekehrt in die Favelas. Bewohner stehen zwischen den Mächten der Polizei und der Drogengangster. “Frieden”, ist das, was sich die meisten wünschen. Doch der Frieden wird wahrscheinlich nicht so schnell einkehren. Solange sich die Strategie der Sicherheitspolitik nicht ändert und die Banden sich im Kampf um ihr Territorium Gefechte mit der Polizei liefern.
Aktivisten demonstrieren immer wieder, Initivativen setzen sich für mehr Rechte der Bürger ein und fordern den Abzug der Sicherheitstruppen, denn die würden anstatt von Sicherheit, Terror und Tod in die Favelas bringen.

Twitteraktion für das Complexo do Alemão zum Jahrestag
Rios Politik diskutiert den Umbau der Polizei, doch mit Olympia 2016 setzt die Stadt weiterhin auf das System der sogenannten Befriedungspolizei UPP. Rios Bürgermeister Eduardo Paes möchte alles daran setzen, ein sicheres Sportevent zu bieten, denn er hat Ambitionen für höhere politische Ämter. Was mit den Favelas nach Olympia geschieht ist ungewiss.