Nach eng getakteten Interviews und den Protesten sind wir heute endlich dazu gekommen, einen ganzen Tag lang nur durch die Rocinha zu laufen, zu sehen, was sich verändert hat, wo neue Häuser den Berg hinaufwachsen, Straßen aufbrechen, Graffiti die aktuellen Konflikte widerspiegelt und sich neue Favela-Start-Ups angesiedelt haben. Dazu wie immer Katzen, die auf Waschmaschinen chillen, kläffende Hunde, Moto-Taxi-Gewimmel auf den schmalen Straßen, viel Dreck und Müll und rutschige Balanceakte durch das Labyrinth der Gassen. Back Home.
In der Rocinha wird immer irgendwo gebastelt und gebaut. Familien stapeln noch ein neues Stockwerk auf ihr Haus, Mitarbeiter der Stromfirma Light versuchen von wackeligen Leitern aus die brandgefährdeten Kabelbündel zu flicken, Internetanbieter verlegen den Netzanschluss in der Favela.
Ein ordentliches Kanalisationssystem – eigentlich ein Plan, der bis zu Olympia 2016 angestoßen werden sollte – ist immer noch nicht verlegt. Gerade fließt die Hauptstraße über.
Von der WM-Deko sind nur ein paar gelb-grüne Wimpel übriggeblieben, die noch in manchen Gassen hängen, und langsam abblätternde Wandmalereien.
Von den Wahlen im vergangenen Jahr hängen noch ein paar Plakate. Die Politiker, die mit ihrer Wahlwerbung in der Rocinha vertreten sind, haben dafür an die Drogengang gezahlt. Auch Garothino hängt immer noch – wäre er Gouverneur von Rio geworden, wäre die Befriedungspolizei UPP, die Favelas wie die Rocinha besetzt, heute eine Kapitel der Vergangenheit. Doch noch patrouillieren Polizisten mit ihren Sturmgewehren durch die Rocinha.
Die Müllabfuhr arbeitet – doch die Müllberge wachsen immer weiter, vor allem in den kleinen Gassen, in denen kein Auto den Müll abholen kann.