Aus dem Complexo da Maré im Norden von Rio twitterten vor ein paar Monaten 10-jährige Schüler Fotos von sich, wie sie sich im Klassenzimmer auf den Boden drängten – während sich Drogengangs und Polizei draußen vor der Schule ein Gefecht lieferten.
Die bewaffneten Auseinandersetzungen beeinflussen die Bildungschancen in Rios Favelas – deren Schulen sowieso bereits an schlechter Ausstattung und Lehrermangel leiden. Schüler in Rios Favelas haben immer wieder schulfrei. Der Unterricht fällt bei Schießereien häufig aus, weil die Schüler ins Kreuzfeuer geraten könnten oder Lehrer nicht zu den Schulen gelangen.
Aufgrund einer Attacke von Mitgliedern einer Drogengang auf die Befriedungspolizei UPP mussten in der vergangenen Woche mindestens vier Schulen, ein Kindergarten und ein Kinderbetreuungszentrum in der Favela Morro dos Macacos in Vila Isabel schließen. Etwa 1.173 Schüler waren betroffen. Von den Konflikten sind besonders häufig Favelas mit Polizeipräsenz der UPP betroffen, da Drogengangs und Polizei sich dort immer wieder beschießen.
Es liegt auf der Hand, dass eine solche Lernatmosphäre nicht gerade förderlich für gute Noten ist – Joanna Monteiro von der Getulio Vargas Stiftung und Rudi Rocha haben am Beispiel von Matheprüfungen erstmals wissenschaftlich erforscht, wie sich Gewalt in den brasilianischen Favelas und in deren Nähe auf den Schulerfolg auswirkt. „Die Wirkung von Gewalt steigt mit der Intensität, Dauer und der Nähe zum Prüfungsdatum“, so das Fazit. „Sie nimmt mit zunehmender Distanz zwischen Schule und dem Ort des Konflikts ab.“ Schüler aus Konfliktgebieten schneiden bei Prüfungen signifikant schlechter ab als in ruhigen Gebieten – allerdings ist es auch in einer Favela ohne Schießerei schwierig zu lernen, weil Familien oft dichtgedrängt auf engem Raum leben, es kaum Privatsphäre und Ruhe gibt, überall dröhnt Musik, Kinderschreien, Hundegebell.