Tröten, bemalte Kinder, gelbe Trikots, Fans vor den Bars – die WM-Gleichgültigkeit der letzten Tage war verflogen, als Brasiliens Seleção gestern wieder auf dem Spielfeld stand. Ein paar Minuten fieberten die Favelabewohner mit – dann wurden die Bildschirme schwarz, die Fans saßen in den Bars im Dunklen.
Ein Raunen ging durch die Favela. Der Kabelbrand am Nachmittag hatte den Strom im oberen Teil des Hügels abgekappt, nur ein paar Minuten nach Abpfiff. An den Stromsäulen bastelten dann tatsächlich auch Mitarbeiter der Energiefirma.
Improvisationstalent rettete die Favela-WM: Einige setzten sich in ihre Autos und hörten dem Spiel im Radio zu, andere beschallten mit ihren aufgemotzten Autos gleich die ganze Nachbarschaft: offener Kofferraum, Anlage an. Goooool. Anstatt zu meckern oder grölen, nutzte jeder, was ihm zur Verfügung stand- oder wartete einfach ab.
An der Favela-Hauptstraße ballerten ein paar junge Männer Feuerwerkskörper unter die fahrenden Minibusse. Gleich kamen die UPP-Polizisten mit gezückten Gewehren anmarschiert. Nach den Schießereien in den vergangenen Tagen ist die Stimmung unter den Polizisten angeheizt – mit Waffen im Anschlag marschierten sie durch die Straßen und sausten im Polizeiauto durch die Favela.
Halbzeit-Hopping diesmal zum Public-Viewing am wohlhabenden Fuß des Berges, außerhalb der Favela, im Viertel Gavea, in einem Open-Air-Club. Dort waren die Gäste allerdings mehr aneinander interessiert als an der WM. Als Brasilien mit 4:1 das Spiel gewann, jubelten trotzdem alle. Unten am Berg und auf dem Berg.