Jacarezinho-Massaker: Rio de Janeiros tödlichste Polizei-Operation

28 Menschen starben im Jacarezinho bei dem bisher brutalsten Polizei-Einsatz in Rio de Janeiros Geschichte. Anwohner prangern exzessive Polizeigewalt und außergerichtliche Exekutionen an. Das Vorgehen der Polizisten soll nun untersucht werden.

Fast neun Stunden lang dauerte die bisher tödlichste Polizei-Operation von Rio de Janeiro, die “Operation Exceptis”: Gegen sechs Uhr morgens drangen am Donnerstag rund 200 Sicherheitskräfte in die Favela Jacarezinho in der Nordzone von Rio de Janeiro ein – 28 Menschen wurden bei dem Einsatz getötet. Auf der Suche nach Verdächtigen verwüstete die Polizei Häuser, Familien und Kinder wurden zu Augenzeugen von Exekutionen.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International verurteilen die Polizeiaktion als “Massaker” und kritisieren die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes – das Vorgehen sei “verwerflich und unvertretbar” gewesen. 

Brasiliens Oberster Gerichtshof STF hat Polizeioperation während der Pandemie bis auf besondere Ausnahmefälle im Juni 2020 verboten, dennoch finden regelmäßig Einsätze statt. Ziel der “Operation Exceptis” im Jacarezinho war es, 21 Verdächtige festzunehmen, für die Haftbefehle vorlagen – vorgeworfen wurde ihnen etwa die Mitgliedschaft in einer Drogengang, die Rekrutierung von Minderjährigen und Verbrechen wie Überfälle.

Exekution im Kinderzimmer

Luftaufnahmen zeigen, wie Sicherheitskräfte einige teils bewaffnete junge Männer verfolgen, die über und durch Häuser flüchten.

Manche versteckten sich in Wohnungen und wurden teils dort erschossen; Fotos zeigen eine Küche voller Blut, eine Blutspur zieht sich auch in ein Kinderzimmer einer Neunjährigen, in dem ein Mann von der Polizei getötet wurde. Boden und Bett sind von Blut durchtränkt.

Anwohner berichten, dass die Polizei die jungen Männer teils vor ihren Augen exekutiert habe und ihnen keine Chance gegeben worden sei, sich zu ergeben. Leichen lagen auch auf den Straßen im Jacarezinho.

Von den ursprünglich gesuchten Verdächtigen wurden einem Bericht von “El Pais” zufolge bei der Operation jedoch nur drei festgenommen und drei erschossen. Mindestens 13 der bisher identifizierten Toten hätten der brasilianischen Rechtsanwaltskammer AOB zufolge keinen Bezug zum offiziellen Ziel der Mission – und rund ein Dutzend der Opfer wurde noch nicht identifiziert.

Am Samstag kommentierte die Polizei, dass 25 der Getöteten jedoch schon polizeiliche Einträge gehabt hätten. Unter den 28 Toten seien auch drei Sicherheitskräfte gewesen.

Keine angemessene Spurensicherung

Die Polizei verteidigte die Operation bei einer Pressekonferenz als “Erfolg”; sie habe keine Fehler begangen. Auch Brasiliens Vizepräsident sagte, er sich sich “fast” sicher, dass die getöteten Zivilisten “alle Kriminelle” seien.

Die Umstände der umstrittenen Aktion sollen nun untersucht werden. Amnesty International fordert eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls – nicht nur durch die Polizei selbst.

“Es ist völlig inakzeptabel, dass Sicherheitskräfte immer wieder schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen wie in Jacarezinho an Favelabewohnern begehen, die überwiegend schwarz sind und in Armut leben”, sagt Jurema Werneck, Direktor von Amnesty International Brasilien. “Selbst wenn die Opfer einer kriminellen Vereinigung verdächtigt wurden, was nicht bewiesen ist, sind solche Exekutionen im Schnellverfahren absolut nicht zu rechtfertigen.”

Die Polizei habe die Befugnis, Verdächtige zu verhaften, es sei aber die Aufgabe der Justiz, gegen Verdächtige zu ermitteln und sie für ihre Verbrechen zu verurteilen. Auch der Sprecher des Menschenrechtsbüros der Vereinten Nationen in Genf äußerte sich besorgt zu dem Einsatz und forderte Aufklärung.

Tödlichste Polizeimission in der Geschichte von Rio de Janeiro

Zahlreiche Polizeiaktionen in Rio de Janeiro enden blutig. Cecília Olliveira von der Nichtregierungsorganisation “Fogo Cruzado” zufolge seien Polizisten für rund zwei Drittel der 275 Massaker verantwortlich, die sich in der Metropolregion Rio de Janeiro in den vergangenen fünf Jahren ereignet haben.

Die Jacarezinho-Operation ist der bisher tödlichste Polizeieinsatz in Rios Geschichte. Nur ein Blutbad im Jahr 2005 in der Baixada Fluminense hatte mit 29 Toten eine höhere Todeszahl als das Jacarezinho-Massaker – es handelte sich damals jedoch um keine offizielle Polizeimission. Eine Todesschwadron, darunter auch einige Polizisten, töteten Menschen und eröffneten unter anderem das Feuer in einer Bar, in der Kinder gerade Videospiele spielten.

Bei Einsätzen in den brasilianischen Armenvierteln werden die Toten häufig vorschnell kriminalisiert. “Bolsonaros Politik ist, dass Polizisten bei einer Operation jeden töten können – und damit davonkommen”, kritisiert der PSOL-Abgeordnete David Miranda, der selbst in der Favela Jacarezinho aufgewachsen ist. Im Jacarezinho seien auch Menschen angeschossen worden, die einfach zur Arbeit gehen wollten – “sie sind keine Kriminellen”.

Polizisten, die im Dienst Menschen erschießen, werden in den seltensten Fällen zur Verantwortung gezogen – meist plädieren sie auf Selbstverteidigung.

In der Vergangenheit gab es in Rio de Janeiro zudem immer wieder Vorfälle in denen Polizisten Beweismittel verschwinden ließen, teils auch die Situation verfälschten, indem sie wehrlos Erschossenen eine Waffe an den Tatort legten.

In Augenzeugen-Videos aus dem Jacarezinho und auf Fotos ist zu sehen, wie Sicherheitskräfte Leichen in Betttüchern aus Häusern schleppen – eine angemessene Spurensicherung an den Tatorten fand offenbar nicht statt. In der Favela protestieren Anwohner und Unterstützer nun gegen die Gewalt und fordern Gerechtigkeit, Hunderte Menschen kamen allein am Freitag zusammen. 

Community-led Crisis Response: New Report by BuzzingCities Lab

Covid-19 has killed more than two million people worldwide and the consequences of the pandemic have left scars in countries around the globe. In a webinar series by BuzzingCities Lab, international experts explored how vulnerable communities are particularly affected by the pandemic – and how they respond to the crisis and build resilience.

The spread of the virus has slowed down and reshaped commercial, educational and social life – and the social and economical long-term impact has yet to be evaluated.

However, it is already evident that the crisis has further exacerbated social inequalities around the world. Covid-19 mortality rates are higher in socially disadvantaged populations – their access to health care is severely limited in many regions, and they are hit harder by the social and economic effects.

Preventive measures like social distancing are impossible in environments like prisons or refugee camps, but also in densely populated informal settlements like the favelas in Brazil or South African townships where people live in close contact with each other. Such places turn into breeding grounds for the virus to spread particularly quickly, while those affected often lack the means to sufficiently protect themselves.

Most people‘s lives and work have been affected by the pandemic. While men are affected by higher Covid-19 fatality rates, lockdowns have greater social and economic consequences for women in general. Domestic violence has also risen during the crisis, while victims of aggression are less able to get help than before. Journalists and social movements that draw attention to grievances must also adapt their activities and security protocols in the pandemic.

The top-down crisis responses of governments around the world often fail to address the specific vulnerabilities, needs and demands of at-risk com- munities. To analyse local strategies to counter the crisis, BuzzingCities Lab organised the webinar series “Community-led Crisis Response. Covid-19 Resilience Tools, Strategies and Lessons from the Pandemic” that took place within the Bosch Alumni Network between September and November 2020.

In five digital debates, international experts, practitioners and participants with diverse backgrounds explored how vulnerable communities are particularly affected by the pandemic and developed crisis response tools and tactics to alleviate the social, economic and health impact on the ground. Our new report highlights insights and recommendations.

Download the Report here (PDF) and follow BuzzingCities Lab for updates.

Polizeieinsatz: 14-Jähriger in einem Haus erschossen

Erneut ist ein Jugendlicher bei einer Operation der brasilianischen Sicherheitskräfte gestorben. Er wurde während des Einsatzes von Polizisten erschossen – während er sich in einem Haus von Familienangehörigen aufhielt.

Bildschirmfoto 2020-05-19 um 20.37.44

Kurz nach der blutigen Polizeioperation im Complexo do Alemão im Norden von Rio de Janeiro ist erneut ein Jugendlicher bei einem Einsatz erschossen worden: Der 14-jährige João Pedro wurde am Montag in einer Favela des Complexo do Salgueiro in São Gonçalo von Polizisten getötet.

SaoGoncaloDer 14-Jährige passte gerade auf seine Cousins und deren Freunde auf. Den Familienangehörigen zufolge drangen die Polizisten bereits schießend in das Haus ein, João Pedro hielt sich zu der Zeit in der Nähe der Tür auf. Die Wände des Hauses sind von Einschusslöchern übersäht. Continue reading

Massaker bei BOPE-Einsatz im Complexo do Alemão

Mitten in der Coronakrise wurden im Complexo do Alemão bei einer Operation der Spezialkräfte zehn Menschen erschossen. Favela-Fotograf Bruno Itan hat das Geschehen dokumentiert.

Bildschirmfoto 2020-05-16 um 03.18.32

Eine Operation der berüchtigten Spezialkräfte-Einheit Batalhão de Operações Especiais (BOPE) in den Favelas des Complexo do Alemão im Norden von Rio de Janeiro hat am Freitag mindestens zehn Personen  das Leben gekostet, zwei Personen wurden verletzt.

Der Favela-Fotograf Bruno Itan bezeichnet die Operation als “Massaker”, als eine “Todesstrafe durch den Staat” – “Es ist üblich, dass der Staat an diesem Ort durch seinen bewaffneten Arm präsent ist, der überall, wo er vorbeigeht, seine Spuren hinterlässt”, so Itan. Familienangehörige und Freunde der Getöteten mussten die Toten von den Tatorten, die Opfer haben sie dabei improvisiert in Decken eingewickelt.

Bruno_Itan3

Die BOPE-Kräfte sind für ihr brutales Vorgehen bekannt. In den Favelas des Complexo do Alemão geraten auch unbeteiligte Bürger bei Operationen oder Patrouillen immer wieder ins Kreuzfeuer und werden erschossen oder verletzt. Continue reading

Covid 19: Coronakrise in Rio de Janeiros Favelas

Schlechte hygienische Bedingungen, dichtgedrängtes Zusammenleben und eingeschränkter Zugang zu Wasser und Reinigungsmitteln: Die Gefahr, dass sich das Coronavirus in den Favelas rasant ausbreitet, ist enorm – Bewohner versuchen, dagegen anzukämpfen.

IMG_9112

Tuberkulose und andere Krankheiten sind in Favelas wie der Rocinha in Rio de Janeiro weit verbreitet, in manchen Teilen der Siedlungen ist der Zugang zu Wasser eingeschränkt – und soziale Distanz ist in Rio de Janeiros Armensiedlungen häufig nicht umsetzbar. Die Coronakrise hat Brasilien erreicht: Mehr als 22.000 Coronafälle sind bestätigt und mehr als 1.200 Menschen sind an den Folgen des Virus gestorben – und gerade in den dichtbesiedelten Favelas droht eine rasante Ausbreitung des Virus. Continue reading

Ende der UPP: Zahl der Toten bei Auseinandersetzungen so hoch wie nie

Der schleichende Rückzug der UPP aus den Favelas in Rio de Janeiro geht einher mit einer steigenden Anzahl von Toten. Bei Einsätzen der sogenannten Befriedungspolizei sind im Jahr 2018 so viele Menschen erschossen worden wie nie zuvor seit ihrer Einführung im Jahr 2008, und das, obwohl die Truppen der UPP insgesamt reduziert wurden.

Rio 2016 UPP Rocinha

Laut dem Institut für öffentliche Sicherheit ISP in Rio ist im Durchschnitt jeden zweiten Tag eine Person bei einer Operation erschossen worden, ein Teil davon deklariert als “Selbstverteidigung” der Sicherheitskräfte. Die Zeitung extra geht von einer hohen Dunkelziffer nicht erfasster Morde aus, weil Personen, die bei Schießereien mit der Polizei verletzt wurden, und im Nachhinein durch die Verletzungen gestorben sind, oftmals nicht mitgezählt wurden.

Außerdem ist die Zahl der Toten durch Sicherheitskräfte in den Regionen, aus denen die UPP abgezogen wurde, angestiegen. Continue reading

Was Jair Bolsonaro mit dem Internet vorhat

Brasiliens neuer Präsident ist auch dank seiner Digitalstrategie an die Macht gekommen. Weil er auch Desinformationskampagnen, Hetze und Diffamierung unterstützt hat, sind Netzexperten besorgt.

bildschirmfoto 2019-01-19 um 15.54.16

Brasiliens neuer, ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro beherrscht die Spielregeln des Internets: Er wendet sich per Livestream an die Bürger, seine Hetze gegen Frauen, Schwarze, Homosexuelle und Linke geht in sozialen Netzwerken viral – und kritische Journalisten blockiert er auf Twitter. Auch dank seiner Digitalkampagne hat es der einstige Außenseiter ins Präsidentenamt geschafft.

Seit seinem Amtsantritt Anfang Januar verändert Jair Bolsonaro Südamerikas größtes Land radikal. Doch was bedeutet das für die Digitalpolitik?

Konkrete Strategien hat die Regierung nicht vorgelegt, dennoch gibt es erste Indizien. Wir haben die digitale Zukunft für SPIEGEL ONLINE analysiert.

BuzzingCities Lab 2018: The Failed War on Drugs, the Bolsonaro Elections in Brazil and Gun Violence in the US

Transformation in post civil war country Colombia, the brutal drug war in the Philippines, dramatic elections in Brazil, arms trade and gun violence in the US: In 2018 BuzzingCities Lab analyzed extreme situations worldwide – and researched and designed innovative approaches to violence and the global drug war.

Bildschirmfoto 2018-12-30 um 13.10.40

The global militarized „War on Drugs“ is bloody and brutal – and has mainly no effects. It has been a failure that has ruined lives, resulted in overcrowded prisons and costed billions. Strategies such as the militarization of police and the criminalization of drug consumption do not lead to a control of the drug demand or supply and do not make affected communities safer – instead, they often contribute to social fragmentation and a cycle of violence.

This slideshow requires JavaScript.

# Global investigation “The Alternative War on Drugs”

Shifting to an alternative drug policy with a stronger focus on health, countries worldwide are experimenting with harm reduction strategies such as alternative drug therapies, drug checking, and the provision of clean therapy environments. With their international investigation “The Alternative War on Drugs” Julia Jaroschewski and Sonja Peteranderl analysed in 2018 what kind of innovative concepts could help to solve the global drug challenge.

Colombia: Post civil war and peace process struggle

After decades of civil war and a brutal drug war, Colombia is experimenting with new approaches to tackle the drug problem. The cocaine exporting country now also has a drug problem of its own. In Bogotá and Medellin, Julia Jaroschewski and Sonja Peteranderl interviewed young basuco (coca paste) and heroin addicts – and researched how initiatives such as drug-checking projects, needle exchange projects and rehab programmes for young criminals help them find a future despite addiction. In rural areas where FARC guerilla, paramilitaries and other criminal groups fight for drug trafficking and territory, they have also visited farmers who grow coca – or participate in government projects that aim to convert coca from coca to cocoa or coffee.

 

This slideshow requires JavaScript.

# Drug War in the Philippines: More than 20.000 Murders in two years

In the Philippines, on the other hand, repressive drug policies are being intensified: In the Southeast Asian country the journalists have investigated how drug addicts are persecuted, driven underground und brutally murdered. More than 20,000 suspected drug users and pushers have been killed by police and masked hit squads since President Duterte declared his war on drugs in 2016.

 

This slideshow requires JavaScript.

Extrajudicial murders, which mainly affect families from poor neighbourhoods, strengthen the cycle of poverty, violence and addiction. The persecution and criminalization of addicts means that they rarely turn to government health programs – the drug war reinforces the HIV/AIDS epidemic in cities such as Cebu City. BuzzingCities Lab investigated how the killings affect entire neighbourhoods,  how community initiatives try to seek justice and how drug addicts support each other with underground networks – addicts advise other drug users, help with withdrawal or distribute free syringes, even though this puts themselves at risk.

# Coverage of the Brazilian presidential elections and the Bolsonaro effect

 

This slideshow requires JavaScript.

Shift to the right: A new president was sworn in in Brazil on 1 January 2019. BuzzingCities Lab had accompanied the digital election campaign, and the election process of Jair Bolsonaro with live reporting, radio analyses and background pieces. With projects such as FavelaWatch, BuzzingCities Lab is also pursuing the security and policing strategy for the favelas of Rio in the long term. While the violence continues, the UPP – a now failed proximity policing experiment – is increasingly withdrawing from the favelas.

 

 

# Chicagos drug war and Gun violence in the US

Julia Jaroschewski represented BuzzingCities Lab at The Global Diplomacy Lab (GDL) in Chicago, a platform searching for a new and more inclusive form of diplomacy, developing approaches that go beyond traditional politics. Together with other experts on organized crime, drug policy, justice, or community workers and ex gang members, she worked on projects to tackle the rampant youth violence and gun violence.

 

This slideshow requires JavaScript.

# The global bombs supermarket: Global Arms Trade 

As part of a transnational investigative team, Sonja Peteranderl investigated the arms trade schemes that help European defense companies to circumvent arms control legislation and export arms to countries like Saudi-Arabia – fueling the conflict in Yemen. The investigation strategies and the impact were presented as the Data Harvest Conference in Brussels as well as at the Outriders Summit in Warsaw.

 

This slideshow requires JavaScript.

UPP-Bilanz: 8000 Schießereien in 5 Jahren

Vier Schießereien pro Tag: So viele Auseinandersetzungen mussten Favelas in Rio de Janeiro 2017 erleben, die von der Befriedungspolizei UPP besetzt worden waren – die eigentlich als Stabilisator gedacht war. Jetzt geht die Zahl der Auseinandersetzungen zurück, doch dahinter steckt kein positives Phänomen.

Insgesamt 8.175 Mal lieferten sich UPP-Einheiten von Januar 2014 (dem Beginn des Fußball-WM Jahres) bis September 2018 Schusswechsel mit Kriminellen, wie ein Polizeidokument belegt, das EXTRA vorliegt. Die meisten Schießereien wurden in Nova Brasília im Complexo do Alemão registriert, einem Favela-Komplex im Norden von Rio de Janeiro. Allein im April 2014 war die dortige UPP-Einheit etwa in 36 Schießereien involviert. An zweiter Stelle des fragwürdigen Rankings: die berüchtigte Armensiedlung Cidade de Deus (“City of God”) – dort war schon während Olympia abzusehen, dass die Befriedungspolizei die Auseinandersetzung mit den Drogengangs verloren hat. Mittlerweile wurde die UPP dort abgezogen.

2017 war das konfliktreichste Jahr der gesamten Geschichte der Befriedungspolizei, die seit 2008 in ausgewählten Favelas von Rio de Janeiro stationiert worden war, um für Polizeipräsenz und Sicherheit in und um die Armensiedlungen herum zu sorgen. Insgesamt 2.142 Schießereien, also durchschnittlich eine Schießerei alle vier Stunden – wurden registriert. Die registrierten Schusswechsel haben sich von 2014 bis 2017 mehr als verdoppelt. In diesem Jahr sind die Auseinandersetzungen leicht zurückgegangen – allerdings nur, weil die UPP-Einheiten weniger auf Konfrontation setzen, ihre Präsenz stark abgenommen hat oder die Einheiten in mehreren Favelas komplett aufgelöst worden sind.

Zehn Jahre nach der Einführung eines Sicherheits-Experiments, das auf eine Polizei der Nähe und soziale Investitionen setzen wollte, ist die UPP am Ende – und der Staat kapituliert vor den Drogengangs, aber auch vor der komplexen sozialen Gemengelage in Rios Favelas und der gesellschaftlichen Ungleichheit, die im Lauf der Jahrzehnte dazu geführt hat, dass ganze Städte in der Stadt dem staatlichen Zugriff entzogen worden sind. Unter der Bolsonaro-Administration, die zum Jahresbeginn 2019 startet, ist die vollständige Rückkehr zur klassischen, militarisierten Politik der harten Hand zu erwarten.

Polizei und Militärs in Rios Favelas (Foto: BuzzingCities Lab)

Polizei und Militärs in Rios Favelas (Foto: BuzzingCities Lab)